Pressemitteilung,
Nominierung der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft für die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes in Paris eingereicht
Zwischenstaatlicher Ausschuss der UNESCO entscheidet 2019
Auf dem Weg zur internationalen Anerkennung der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit ist ein weiterer Meilenstein erreicht: Das Auswärtige Amt hat den Antrag offiziell der UNESCO übergeben.
Die Szene der Theater und Orchester in Deutschland zeichnet sich durch eine besonders hohe Dichte und Vielfalt im Hinblick auf Genres, Ästhetiken, Ausdrucksmittel, Sprache und Aufführungsanlässe aus. Über die Aufnahme dieser Kulturform in die internationale UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes entscheidet ein Zwischenstaatlicher Ausschuss Ende 2019.
UNESCO-Nominierungsfilm Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft
Staatsministerin Michelle Müntefering betont aus diesem Anlass: „Der deutsche Vorschlag der Theater- und Orchesterlandschaft für die UNESCO-Liste steht beispielhaft für modernes Immaterielles Kulturerbe. Die Nominierung zeigt, dass Theater und Orchester wichtige Räume der freien Meinungsäußerung, der öffentlichen Debatte und kritischen Reflexion sind. Sie macht auch deutlich, welch hohe Bedeutung die zahlreichen internationalen Kooperationen und Koproduktionen von Theatern und Orchestern haben: Sie fördern interkulturelle Begegnungen und Kommunikation auch jenseits des politischen Diskurses und damit das Verständnis füreinander. Genau diesen Dialog und diese gesellschaftlich wichtigen Freiräume wollen wir mit Hilfe internationaler Kulturpolitik weiter ausbauen und stärken.“
Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins Ulrich Khuon unterstreicht: „Theater und Orchester schaffen kulturelle Räume für Erzählungen, Reflexionen und Gespräche innerhalb ihrer lokalen Gemeinschaften und tragen damit wesentlich zu Lebensqualität und Identität bei. Diese wichtigen sozio-kulturellen Räume müssen wir erhalten und weiterentwickeln. Deutschland hat die reichste Theaterlandschaft der Welt. Etwa die Hälfte aller Opernhäuser auf der ganzen Welt ist in Deutschland situiert. Und was Schauspielhäuser angeht, gibt es eine ähnliche Dichte.“
Der Generalsekretär des Deutschen Musikrats und Präsident des Deutschen Kulturrats Prof. Christian Höppner unterstreicht: „Die Dichte der Theater- und Orchesterlandschaft und die kulturelle Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen führt im Amateur- wie auch im Profibereich zu täglich gelebter Transkulturalität. In Zeiten auseinanderdriftender Gesellschaften und der zunehmenden Abschottung in digitalen Echokammern hat dies einen unschätzbaren Wert für das Zusammenleben in Vielfalt.“
Die Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland wird durch die rund 140 Staats- und Stadttheater sowie Landesbühnen mit Orchestern und 130 Opern-, Symphonie-, Rundfunk- oder Kammerorchestern sowie Kammerphilharmonien geprägt. Dazu kommen rund 220 private Theater, 100 Theater- und Symphonieorchester ohne feste Spielstätten, 2.200 freie Spielstätten, Gruppen und Ensembles und rund 2.500 Amateurtheaterbühnen, die zur Lebendigkeit der Szene einen bedeuten Beitrag leisten.
Historisch resultieren Dichte und Vielfalt der Theater- und Orchesterlandschaft aus der großen Zahl kleiner Staaten und Herzogtümer im 18. und 19. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Diese gründeten Theater und Orchester als repräsentativen Ausdruck ihrer Hingabe zu Kunst und Kultur. Später baute ein selbstbewusstes Bürgertum diese Vielfalt und Dichte weiter aus. Prägend ist bis heute das Repertoire- und Programmsystem mit einem dauerhaft engagierten Ensemble, mit dem Inszenierungen und Musikstücke über Monate oder Jahre hinweg verfügbar sind. Hinzu kommt eine sehr lebendige freie Szene sowie die vielfältigen Amateurtheater und -orchester.
2014 wurde die „Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft“ auf Initiative des Deutschen Bühnenvereins und des Deutschen Musikrats in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Ein Eintrag ist die Vorbedingung für eine UNESCO-Nominierung.
Hintergrund
Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. 177 Staaten sind dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes beigetreten. Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zum Immateriellen Kulturerbe zusammen. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die Listen des Immateriellen Kulturerbes. Bisher sind 366 Formen des Immateriellen Kulturerbes auf der internationalen Repräsentativen Liste eingetragen, 47 Elemente auf der Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes und 17 Gute Praxisbeispiele zur Erhaltung immateriellen Kulturerbes.
Kriterien für die Anerkennung sind unter anderem eine nachweisbare Lebendigkeit und eine identitätsstiftende Komponente für die Trägergemeinschaft der Kulturform, die Entwicklung von Erhaltungsmaßnahmen, eine weitreichende Beteiligung der Trägergemeinschaft und die Eintragung in ein nationales Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Mit der Einschreibung verpflichten sich die Vertragsstaaten, das Immaterielle Kulturerbe auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu fördern.