Wissenschaft

Forschungsinfrastruktur und -kooperationen

Die UNESCO arbeitet grundsätzlich interdisziplinär. Um aber Forschungsinfrastruktur und globale Kooperationen zu fördern, arbeitet sie häufig auch mit einzelnen Disziplinen vertieft zusammen.

Die Wasser- und Ozeanforschung sind dafür besonders bekannte Beispiele. Aber auch die Kooperation in den Ingenieur-, Geo- sowie den grundlegenden Naturwissenschaften Mathematik, Physik und Chemie und die Lebenswissenschaften sind Disziplinen, die die UNESCO seit ihrer Gründung fördert.

Die UNESCO war die Hebamme der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN, die 1954 in Genf gegründet wurde. Die UNESCO steht auch hinter dem International Centre for Theoretical Physics (ICTP) in Triest, das Ausbildung und Forschungskooperationen mit Entwicklungsländern fördert. Das International Basic Sciences Programme (IBSP) fördert regionale und überregionale Forschungsnetzwerke.

Centre for Synchrotron Light and Experimental Sciences and Applications in the Middle East - SESAME

Seit dem Jahr 2000 hat die UNESCO das erfolgreiche Konzept des CERN auf den Nahen Osten übertragen, und bei der Gründung  des Synchrotronlabor SESAME (Centre for Synchrotron Light and Experimental Sciences and Applications in the Middle East) unterstützt. SESAME wurde bis zur Fertigstellung 2017 an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Al-Balqa in Jordanien aufgebaut.

Die Gründung von SESAME hat viel mit Deutschland zu tun: 1999 sollte der „Speicherring“ BESSY I aus Berlin-Wilmersdorf zugunsten eines neueren Modells ausgemustert werden. Herman Winick aus Stanford, USA, und Gustaf-Adolf Voss vom deutschen Beschleunigerlabor DESY hatten die Idee, das Gerät in den Nahen Osten zu bringen. Die deutsche Bundesregierung entschied sich aufgrund des Engagements der beiden Physiker Sergio Fubini (Italien, 2005 verstorben) und Herwig Schopper (Deutschland), den Speicherring als Basis für den Aufbau von SESAME zur Verfügung zu stellen. 2002 wurde das Gerät nach Jordanien gebracht.

Ein Synchrotron beschleunigt elektrisch geladene Elementarteilchen oder Ionen auf sehr hohe Geschwindigkeiten. In einem Vakuum werden die Teilchen von Magneten auf eine Ringbahn gelenkt, durch die Richtungsänderungen strahlen die Teilchen eine charakteristische Strahlung ab. Diese eignet sich für Forschung in vielen naturwissenschaftlichen Disziplinen, aber auch für industrielle und medizinische Anwendungen.

Die UNESCO gründete gemeinsam mit Delegierten aus dem Nahen Osten ein Gremium als Hauptentscheidungsinstanz von SESAME. Die erste Sitzung fand 2003 statt. Der Rat tritt zweimal jährlich zusammen. Derzeitige Ratsmitglieder sind Ägypten, Bahrain, Iran, Israel, Jordanien, Pakistan, Palästina, die Türkei und Zypern. Deutschland ist eines der derzeit zehn Länder mit Beobachtungsstatus (daneben Frankreich, Griechenland, Italien, Kuwait, Portugal, die Russische Föderation, Schweden, Großbritannien und die USA). Der erste Vorsitzende war bis 2008 Herwig Schopper, der dritte Vorsitzende seit 2017 ist erneut ein Deutscher, Prof. Rolf-Dieter Heuter, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

Webseite: http://www.sesame.org.jo

International Centre for Theoretical Physics – ICTP

Das ICTP oder Abdus Salam Zentrum für theoretische Physik im italienischen Triest ist eines der wichtigsten Forschungsinstitute der Physik weltweit. Die UNESCO ist die für das Management des ICTP zuständige UN-Einrichtung. Seit seiner Gründung 1964 durch den pakistanischen Nobelpreisträger Abdus Salam fördert das ICTP vorrangig Forschende aus Entwicklungsländern. Über 100.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dort gearbeitet, 20 Prozent davon aus Afrika, 35 Prozent aus Asien, 15 Prozent aus Lateinamerika und 20 Prozent aus Europa.

Abdus Salam hatte die Idee eines Internationalen Physik-Instituts erstmals im September 1960 der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) vorgetragen. Mitten im Kalten Krieg sollten je ein Drittel der Forschenden aus NATO-Staaten, aus Warschauer-Pakt-Staaten und aus Entwicklungsländern kommen. Die UNESCO war neben der italienischen Regierung und der International Atomic Energy Agency (IAEA) der dritte Gründungspartner des ICTP 1964 und finanzierte Gastaufenthalte von Forschern aus Entwicklungsländern.

Die Forschungsthemen des ICTP sind vielfältiger geworden: Heute umfasst das Spektrum angewandte Physik (Medizinphysik, Bio- und Neurophysik, Umweltökonomie, Flüssigkeitendynamik, Optik und Laser), Festkörperphysik und Statistische Mechanik, Physik der Erde (Atmosphärenphysik, Wetter- und Klimaphysik, nichtlineare Dynamik des Planeten, Bodenphysik), Hochenergiephysik, Kosmologie, Astroteilchenphysik und Mathematik.

Wegen dieser veränderten Forschungsgebiete ist seit 1996 die UNESCO für das Management des ICTP allein verantwortlich. Sie finanziert Programme des ICTP mit ungefähr 500.000 US-$ jährlich, der Beitrag des italienischen Staates liegt bei fast 30 Millionen US-$. Das ICTP ist integraler Bestandteil der UNESCO.

International Geoscience Programme – IGCP

Das Internationale Geowissenschaftliche Programm (IGCP) der UNESCO und der International Union of Geological Sciences (IUGS) hat seit 1972 bereits über 500 Forschungsprojekte organisiert. Das IGCP unterstützt multinationale Forschungsgruppen und bindet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Entwicklungs- und Schwellenländern ein. Zur Minderung der Auswirkungen von Naturkatastrophen baut die UNESCO Frühwarnsysteme auf und fördert den grenzüberschreitenden Austausch seismologischer Daten. Das GFZ Potsdam organisiert mit der UNESCO jährlich einen Kurs zum Thema Seismologie und Erdbebengefahren.

Geologische Prozesse machen nicht an nationalen Grenzen halt. Daher müssen Staaten in gemeinsamen Forschungsprojekten und für weltweite Beobachtungsnetzwerke zusammenarbeiten. Für innovative Forschung und dauerhafte Beobachtung brauchen Entwicklungs- und Schwellenländer Unterstützung. Das IGCP fördert die Zusammenarbeit zwischen Geowissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aller Länder, stärkt innovative Forschungsansätze und unterstützt Entwicklungsländer.

Konkret arbeiten in den derzeit etwa 30 IGCP-Projekten jeweils bis zu 100 Forschende aus Dutzenden von Ländern für fünf oder sechs Jahre zusammen. Die Abschlusspublikationen vieler IGCP-Projekte sind wegweisende Referenzdokumente. Die Grundfinanzierung dieser Projekte wird generell aus nationalen Mitteln geleistet. Das IGCP unterstützt finanziell jährliche Fachkonferenzen der Projekte und entsprechende Feldstudien, vor allem, um die Teilnahme von Forschenden aus Entwicklungs- und Schwellenländern möglich zu machen.

Das IGCP macht den Nutzen der Geowissenschaften für nachhaltige Entwicklung, Gesundheit und Sicherheit der Menschheit und Reduzierung der Auswirkungen von Naturkatastrophen deutlich. Das IGCP gehört mit Forschenden aus rund 150 Staaten, über 330 geförderten Einzelprojekten und mehr als 25.000 Veröffentlichungen zu den erfolgreichsten internationalen Forschungsprogrammen in den Geowissenschaften.

Deutschland gehört zu den aktivsten Teilnahmestaaten des IGCP. Deutsche Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler sind als Einzelforschende, in Forschungsgruppen oder Projektleitungen an etwa der Hälfte der Projekte beteiligt. Koordiniert wird die deutsche Mitwirkung am IGCP seit 1972 durch den IGCP-Landesausschuss. Der Landesausschuss ist eine Einrichtung der DFG-Senatskommission für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsforschung (Geokommission). Der Vorsitz liegt traditionell bei Forschenden des Forschungsinstituts und Naturmuseums Senckenberg.

Der Landesausschuss tagt einmal jährlich zusammen mit anderen internationalen geowissenschaftlichen Nationalkomitees. Er prüft geplante geowissenschaftliche Forschungsvorhaben mit deutscher Beteiligung darauf, inwieweit sie sich in das IGCP integrieren lassen. Ein Empfehlungsschreiben ist Bedingung für alle IGCP-Projektanträge mit deutscher Co-Projektleitung. Die jährlichen Berichte der laufenden IGCP-Projekte mit deutscher Co-Projektleitung werden gesammelt und als deutscher Jahresbericht der UNESCO vorgelegt. Außerdem berät der Landesausschuss deutsche Forschende bei der Vorbereitung von IGCP-Projekten und koordiniert die Kontakte zu anderen beteiligten Akteuren wie dem IGCP-Sekretariat in Paris und dem IGCP-Board. Finanziert wird diese Arbeit aus Mitteln des Auswärtigen Amtes.

International Basic Sciences Programme – IBSP

Das International Basic Sciences Programme (IBSP) unterstützt die globale Zusammenarbeit in den grundlegenden Naturwissenschaften und in der naturwissenschaftlichen Bildung. Ziel ist der Aufbau solider wissenschaftlicher Strukturen und Fähigkeiten in allen Mitgliedstaaten. Je nach Bedarf der einzelnen Weltregionen werden entweder bestehende internationale Netzwerke zwischen Exzellenzzentren gestärkt oder neue Netzwerke etabliert. Das IBSP fördert nur Projekte der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern (Nord-Süd) und der Zusammenarbeit von Entwicklungsländern untereinander (Süd-Süd).

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