Auf ein Wort,

„Meine Vision ist, Krankheiten wie Alzheimer heilen zu können“

Dr. Hyun Kate Lee

Dr. Hyun Kate Lee
Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik

Dr. Hyun Kate Lee vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden ist die erste in Deutschland arbeitende Wissenschaftlerin, die das l’Oréal/UNESCO-Wissenschaftsstipendium „International Rising Talents“ erhalten hat. Sie wurde für ihre herausragende Arbeit zu neurodegenerativen Krankheiten geehrt. Eine Fachjury hatte Lee und 14 weitere junge Wissenschaftlerinnen aus über 270 Kandidatinnen ausgewählt, welche zuvor auf nationaler Ebene durch UNESCO-Nationalkommissionen und l’Oréal im Rahmen des Förderprogramms „For Women in Science“ ausgezeichnet worden sind. Das Preisgeld für die „International Rising Talents“ beläuft sich auf 15.000 Euro. Die Preisverleihung fand im Rahmen einer Veranstaltung vom 21. bis 23. März in Paris statt. Im Interview berichtet Dr. Hyun Kate Lee über ihre Forschungsarbeit und wie der Förderpreis ihr hilft, Forschung und Familie zu vereinbaren.
 

Frau Dr. Lee, bitte beschreiben Sie uns zunächst Ihre Forschungsarbeit.

Ich untersuche die Ursachen von neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer, Huntington oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Im Fall solcher Krankheiten verlieren die Nervenzellen eines Patienten mit zunehmendem Alter ihre Funktionsfähigkeit, und somit verliert ein Patient auch seine mentalen oder körperlichen Fähigkeiten. Die Ursachen dieser verlorenen Funktionsfähigkeit von Nervenzellen sind bislang nicht völlig verstanden. Ich untersuche ein ähnliches Phänomen, das für all diese Krankheiten gilt: Proteine in Nervenzellen versteifen zu sehr festen Klumpen. Proteine sind die Maschinen von Zellen, sie erzeugen Nährstoffe, bauen Strukturen auf oder übertragen Signale an Nachbarzellen. Dies können sie nur leisten, wenn sie beweglich sind – bei genannten Krankheiten werden sie aber zu Klumpen und unbeweglich und können daher ihre Funktion nicht mehr erfüllen.

Dass diese Verklumpung von Proteinen eine Rolle bei der Entstehung dieser Krankheiten spielt, ist schon länger bekannt, nicht aber die Ursache der Verklumpung. Darauf konzentriert sich meine Forschung. Interessanterweise bilden Proteine auch in gesunden Nervenzellen solche Anhäufungen, sie bleiben jedoch dynamisch. Mit hochleistungsfähiger Mikroskopie untersuche ich diese Anhäufungen in gesunden Zellen. Wir können uns diese Proteinanhäufungen in gesunden Zellen wie flüssige Tröpfchen vorstellen, in kranken Zellen werden sie eher feste, unbewegliche Strukturen. Wenn man die noch dynamischen Proteinanhäufungen aus gesunden Zellen entnimmt, werden sie innerhalb von Stunden zu festen Klumpen. Ähnliches passiert auch in kranken Zellen und vornehmlich mit fortgeschrittenem Alter der Patienten. Mein aktuelles Forschungsthema ist die Untersuchung der Mechanismen, die in gesunden Zellen das Verklumpen von Proteintröpfchen verhindern. Ich vermute, dass hier ein Schlüssel zum Verständnis dieser neurodegenerativen Krankheiten besteht. Ich hoffe, auf dieser Basis können wir dann auch Möglichkeiten zu deren Behandlung entwickeln.

Sie arbeiten seit 2011 in Deutschland, genauer am Max-Planck-Institut in Dresden. Warum haben Sie sich damals für dieses Institut entschieden?

Ich habe in den USA studiert und geforscht und bin in Südkorea aufgewachsen. Nach meiner Dissertation in den USA wollte ich eine andere Gesellschaft und auch eine andere wissenschaftliche Kultur kennenlernen. Wissenschaft wird in unterschiedlichen Ländern verschieden organisiert. Ich wollte besonders die europäische Wissenschaft kennenlernen, und die meisten für mich interessanten Labore Europas waren in Deutschland – hier ist Forschung einfach von sehr hoher Qualität. Bei meinen Bewerbungsgesprächen hat mich das MPI in Dresden am meisten überzeugt. Die Exzellenz der Max-Planck-Institute ist weltweit bekannt.

Besonders beeindruckt mich hier, dass die Arbeitsatmosphäre für Zusammenarbeit sehr zuträglich ist. Alle Kollegen sind hier sehr offen und wollen gemeinsam komplexe Forschungsprobleme lösen. Zugleich ist die Arbeit sehr interdisziplinär, Zellbiologen arbeiten mit Biochemikern, Biophysikern und Informatikern zusammen. Das hat mir für meine aktuelle Veröffentlichung sehr geholfen und ist wirklich eine Besonderheit. Zuletzt sind Infrastruktur und Laborausstattung exzellent und werden von Spezialisten unterhalten und weiterentwickelt. Ich arbeite in der Mikroskopie und unser Institut hat einfach alle Mikroskope verfügbar, die ich brauche, weil sich verschiedene Gruppen die Instrumente teilen.

Sie sind Mutter eines noch jungen Sohnes. Was sind für Sie die größten Herausforderungen, Forschung und Familie unter einen Hut zu bekommen?

Als Mutter möchte ich meine Verantwortung sowohl zuhause als auch im Labor gut erfüllen. Beides in der Balance zu halten, ist sicher die größte Herausforderung. Forschung ist anspruchsvoll und braucht viel Zeit, gerade in unserer Disziplin. Dabei geht es nicht nur um die Gesamtzahl der Stunden im Labor, sondern auch darum, dass bestimmte Experimente zwingend und manchmal unplanbar meine Anwesenheit erfordern, auch am Abend oder am Wochenende. Der UNESCO-L’Oréal-Förderpreis hat mir hier sehr geholfen, indem mein Mann, der auch Forscher ist, und ich uns unsere wunderbare Babysitterin leisten können.

Sie haben mit dem International Rising Talent Award bereits Ihren zweiten Preis erhalten, zunächst waren Sie mit dem deutschen UNESCO-L’Oréal-Förderpreis ausgezeichnet worden. Wie haben Ihre Kollegen reagiert?

Jeder hat sich für mich gefreut, von den Kollegen über meinen Betreuer bis zu den Direktoren. Zugleich waren sie auch stolz, denn meine Forschung ist nur als Teamarbeit möglich – der Preis war auch eine Anerkennung für sie.

Der deutsche Förderpreis umfasst zugleich auch Fördergelder für das MPI für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das Institut wird damit Forscherpaare mit Kindern unterstützen. Tatsächlich hatte das Institut bereits vorher entsprechende Überlegungen angestellt, der Förderpreis hat diesen nun zum Durchbruch verholfen. Es wird ein „Familienzimmer“ eingerichtet, in das Forscher beiderlei Geschlechts ihre kleineren und größeren Kinder mitbringen können, falls sie am Wochenende spontan für kurze Zeit arbeiten müssen. Falls es kleine Kinder sind, steht ein Babysitter zur Verfügung. Ältere Kinder können hier nach der Schule ihre Hausaufgaben machen.

Wie geht es mit Ihrer Karriere nun weiter?

Ich würde gerne meine eigene Forschungsgruppe leiten, um die erwähnten spannenden Ergebnisse weiter zu vertiefen und zu erweitern. Meine Vision ist, diese Krankheiten heilen zu können. Ich sehe mir derzeit verschiedene Institute weltweit an, auch solche in Deutschland. Auf jeden Fall würde ich mich aufgrund meiner guten Erfahrungen hier freuen, auch in künftigen Stationen meiner Karriere in Deutschland zu arbeiten.

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