Geschichte der UNESCO
1945 bis 1954: Gründung der UNESCO und Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg
1945
Gründung der UNESCO: Am 16. November 1945 unterzeichnen in London 37 Staaten die Verfassung der UNESCO. Darin ist die Leitidee der UNESCO formuliert: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“ Aus der Erfahrung des Zweiten Weltkrieges zog man die Lehre: „Ein ausschließlich auf politischen und wirtschaftlichen Abmachungen von Regierungen beruhender Friede kann die einmütige, dauernde und aufrichtige Zustimmung der Völker der Welt nicht finden. Friede muss – wenn er nicht scheitern soll – in der geistigen und moralischen Solidarität der Menschheit verankert werden.“
Vorbereitende Kommission der UNESCO: Die von der Gründungskonferenz gebildete Vorbereitende Kommission beginnt im November ihre Arbeit. Die Kommission bereitet die erste UNESCO-Generalkonferenz sowie die Entwürfe für Programm und Haushalt der Organisation vor.
Erste Sitzung des Exekutivausschusses: Der Exekutivausschuss der Vorbereitenden Kommission hält seine erste Sitzung ab und wählt am 3. Dezember Sir Alfred Zimmern zum Generalsekretär.
unterzeichnen am 16. November 1945 die Verfassung der UNESCO in London.
Verfassung der UNESCO
Since wars begin in the minds of men and women, it is in the minds of men and women that the defences of peace must be constructed.
Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.
UNESCO
Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur
1946
Julian Huxley wird Generalsekretär der Vorbereitenden Kommission: Im März tritt Julian Huxley aufgrund einer Erkrankung von Sir Alfred Zimmern dessen Nachfolge an.
Erste Nationale UNESCO-Kommissionen: Brasilien bildet am 13. Juni als erster Staat eine Nationale UNESCO-Kommission. Bis April 1947 kommen weitere fünf hinzu: in Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Polen und den USA.
Umzug nach Paris: Die Vorbereitende Kommission der UNESCO zieht von London nach Paris um. Neuer Sitz der Vorbereitenden Kommission wird am 16. September das Hotel Majestic auf der Avenue Kléber. Das Londoner UNESCO-Büro wird im April 1947 geschlossen.
Offizieller Gründungstag der UNESCO am 4. November 1946: Mit der Hinterlegung der 20. Ratifizierungsurkunde durch Griechenland tritt die Verfassung der UNESCO in Kraft.
Erste UNESCO-Generalkonferenz: Die erste Generalkonferenz der UNESCO findet vom 19. November bis 10. Dezember in Paris statt. An der Konferenz nehmen Delegationen und Beobachtende aus 28 Staaten teil. Die feierliche Eröffnung erfolgt in der Sorbonne unter Leitung von Léon Blum. Die Arbeitssitzungen werden im UNESCO-Haus in der Avenue Kléber durchgeführt. Bis 1952 werden die Generalkonferenzen jährlich, später alle zwei Jahre durchgeführt. Die erste Konferenz wählt den ersten Exekutivrat, der zunächst aus 18 unabhängigen Persönlichkeiten, zehn aus westlichen Industrieländern und sechs aus Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, besteht. Julian Huxley (Großbritannien) wird zum ersten UNESCO-Generaldirektor gewählt. Die Generalkonferenz beschließt ein Programm zur Bildung für Internationale Verständigung.
Beziehungen zu Nichtregierungsorganisationen: Die UNESCO schließt am 16. Dezember das erste Abkommen mit einer NGO, dem seit 1919 bestehenden Internationalen Rat Wissenschaftlicher Vereinigungen (seit 2018: International Science Council). Als weitere wichtige Partner-NGO wird der Internationale Museumsrat (International Council of Museums / ICOM) in Paris gegründet.
1947
Erste UNESCO-Regionalbüros: Die ersten vier Regionalbüros werden eingerichtet: in Kairo für den Nahen Osten, in Rio de Janeiro für Lateinamerika (1948 nach Montevideo verlegt), in Nanking für den Fernen Osten und in Neu Delhi für Südostasien.
Erste Publikation der UNESCO: Die Studie „Fundamental Education, Common Ground for All People“ erscheint als erste Publikation der UNESCO. Sie bildet die Grundlage für das UNESCO-Programm zur Erwachsenenbildung und ihr weltweites Engagement zur Überwindung des Analphabetismus.
Internationaler Rat für den Wiederaufbau des Bildungswesens: Auf einer UNESCO-Konferenz gründen Vertretende von 55 Organisationen den „Rat für Wiederaufbau des Bildungswesens“ in den vom Krieg zerstörten Staaten.
Erste UNESCO-Freundeskreise: In Japan und den USA entstehen die ersten Vereine zur Unterstützung der Ziele der UNESCO. Heute bestehen rund 4.000 UNESCO-Clubs in etwa 80 Staaten. In Deutschland gibt es sechs UNESCO-Clubs.
Zweite UNESCO-Generalkonferenz in Mexiko-Stadt: Die Generalkonferenz verabschiedet am 29. November einen Appell, in dem sie sich gegen die Auffassung wendet, dass Kriege unvermeidlich seien.
gründen den „Rat für Wiederaufbau des Bildungswesens“ in den vom Krieg zerstörten Staaten.
Spuren des Zweiten Weltkriegs
1948
„UNESCO-Kurier“: Die illustrierte Monatsschrift erscheint im ersten Jahrgang. Der „UNESCO-Kurier“ soll die breite Öffentlichkeit über die Ziele und Aktivitäten der UNESCO informieren. Ab 1960 wird die Zeitschrift auch in Deutsch veröffentlicht. Mitte der 90er-Jahre wird sie in 30 Sprachen und in Braille herausgegeben.
Tätigkeit der UNESCO in Deutschland: Der Alliierte Kontrollrat lehnt in einem Schreiben vom 23. Januar zunächst eine Tätigkeit der UNESCO in Deutschland ab. Nach weiteren Verhandlungen geben die Oberbefehlshaber der westlichen Besatzungszonen ihr grundsätzliches Einverständnis. Am 4. April entscheidet sich der Exekutivrat zunächst für folgende Gebiete der UNESCO-Tätigkeit in Deutschland: Verbreitung der UNESCO-Veröffentlichungen, Buchaustausch mit anderen Staaten, Untersuchung der deutschen Lehrbücher und Teilnahme deutscher Beobachtender an Fachtagungen der UNESCO. Außerdem werden UNESCO-Verbindungsstellen in den drei westlichen Besatzungszonen (Stuttgart, Mainz, Düsseldorf) beschlossen. Diese werden bald darauf zu einem UNESCO-Büro in Wiesbaden zusammengefasst, das bis 1951 besteht.
Erste Ausgabe von „Study Abroad“: Die UNESCO veröffentlicht erstmals das Handbuch, das über Hochschulstudien und -stipendien in aller Welt informiert.
Jaime Torres Bodet wird Generaldirektor: Die dritte Generalkonferenz wählt im Dezember Jaime Torres Bodet (Mexiko) zum neuen UNESCO-Generaldirektor (1948-1952).
Erstes UNESCO-Übereinkommen: Am 10. Dezember wird auf der Generalkonferenz in Beirut, Libanon, das „Übereinkommen zur Erleichterung der internationalen Verbreitung von optischem und akustischem Material erzieherischen, wissenschaftlichen und kulturellen Charakters“ (Beiruter Abkommen) verabschiedet. Am 12. August 1954 tritt es in Kraft.
Beginn der Aktion „Bücher-Bons“: Um Menschen in Ländern mit Währungen, die einen vergleichsweise hohen Wertverlust haben, den Kauf von Büchern zu erleichtern, wird die Aktion Bücher-Bons ins Leben gerufen. Die Bons ermöglichen auch die leichtere Beschaffung von kulutrellem und wissenschaftlichem Studienmaterial aus anderen Ländern.
Gründung des Internationalen Naturschutzbundes: In Fontainebleau gründet die UNESCO mit Frankriech den Internationalen Naturschutzbund (UICN).
Beiruter Abkommen
1949
Schulen für Flüchtlinge im Nahen Osten: Für Flüchtlingskinder werden 39 Schulen in Syrien, Palästina, Jordanien und im Libanon eröffnet.
UNESCO-Radio: Im Februar beginnt die Produktion wöchentlicher viertelstündiger Rundfunksendungen über aktuelle Fragen der Bildung, Wissenschaft und Kultur. Bis zum Jahresende wird das Programm von Rundfunksendern in 47 Staaten übernommen und in 18 Sprachen ausgestrahlt.
Erste UNESCO-Weltkonferenz über Erwachsenenbildung: Sie findet vom 19. bis 25. Juni 1949 in Helsingør, Dänemark statt.
Programm zur Bekämpfung von Rassismus: In Zusammenarbeit mit führenden Forschenden, darunter Claude Lévi-Strauss, Alva Myrdal, Alfred Métraux und Michel Leiris, initiiert die UNESCO das Programm. Im Juli 1950 wird daraufhin eine Erklärung über Rassenfragen veröffentlicht, die sich gegen die Anwendung des Begriffs „Rasse“ auf Menschen wendet.
Gründung des Internationalen Rats für Philosophische und Humanistische Studien: Auf Initiative der UNESCO wird der Internationale Rat für Philosophische und Humanistische Studien gegründet.
Gründung des Internationalen Musikrats: Der Internationale Musikrat (ICM) wird auf Initiative der UNESCO gegründet.
werden 1949 für Flüchtlingskinder im Nahen Osten eröffnet
1950
Deutscher Ausschuss für UNESCO-Arbeit: Nach einer vorbereitenden Sitzung (Bad Soden, Taunus, 19. bis 21. Januar) findet am 12. Mai im Senatssaal der Universität Frankfurt am Main die konstituierende Versammlung des Deutschen Ausschusses für UNESCO-Arbeit unter Vorsitz von Walter Hallstein statt. Die erste Sitzung des Ausschusses am 7. November bestimmt Köln als Sitz. Nach dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur UNESCO erfolgt am 3. November 1951 die Umbenennung des Ausschusses in Deutsche UNESCO-Kommission e. V. gemäß Artikel VII der UNESCO-Verfassung.
Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Menschheit: Die fünfte UNESCO-Generalkonferenz in Florenz vom 22. Mai bis zum 17. Juni beschließt die Herausgabe einer Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Menschheit. An der Konzeption und Realisierung der Publikation wirken über 1.000 Fachleute aus aller Welt mit. Sie erscheint 1963-1976 in 13 Bänden unter dem Titel „History of the Scientific and Cultural Development of Mankind“. Eine vollständig überarbeitete Neuauflage wird Mitte der 90er-Jahre herausgegeben.
„Kalinga-Preis für besondere Verdienste um die Popularisierung der Naturwissenschaften“: Der indische Industrielle Bijoyanand Patnaik stiftet im November 1950 den mit 1.000 englischen Pfund dotierten Kalinga-Preis. Er wird von der UNESCO erstmals 1952 an den französischen Physiker Louis de Broglie verliehen. Zu den weiteren Preistragenden zählen unter anderem die Nobelpreisträger Karl von Frisch, Konrad Lorenz und Bertrand Russell.
Erste Regionalkonferenz der UNESCO-Nationalkommissionen: In Havanna findet die erste Regionalkonferenz von UNESCO-Nationalkommissionen statt.
1951
Erstes UNESCO-Institut in Deutschland: Im Juni wird in Köln das UNESCO-Institut für Sozialwissenschaften eingerichtet, das bis 1960 bestehen bleibt. Im September 1951 nimmt das UNESCO-Institut für Pädagogik (heute UNESCO-Institut für Lebenslanges Lernen) in Hamburg seine Arbeit auf. 1953 folgt die Gründung des UNESCO-Instituts der Jugend in Gauting bei München, das bis 1965 besteht.
Aufnahme Deutschlands und Japans: Die 6. UNESCO-Generalkonferenz beschließt am 11. Juli 1951 in Paris die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland als 64. Mitgliedstaat der Organisation. Die Mitgliedschaft in der UNESCO ermöglicht auch deutschen Fachverbänden für Wissenschaft, Bildung, Kultur und Publizistik eine stärkere Mitarbeit in den jeweiligen Weltverbänden. Am 2. Juli war bereits Japan, gleichermaßen ehemaliger Feindstaat laut UN-Charta, in die UNESCO aufgenommen worden.
1952
Welturheberrechtsabkommen: Nach fünfjähriger Vorbereitung wird am 6. September in Genf das Welturheberrechtsabkommen (Universal Copyright Convention) angenommen. Das UNESCO-Übereinkommen ist ein Meilenstein auf dem Gebiet des Urheberrechts.
John W. Taylor wird Generaldirektor: Jaime Torres Bodet tritt am 1. Dezember wegen Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des UNESCO-Haushalts, die im Missverhältnis zu den hohen Rüstungsausgaben der Mitgliedstaaten stehe, zurück. Die Generalkonferenz ernennt seinen Stellvertreter John W. Taylor (USA) zum amtierenden Generaldirektor.
Eindrücke aus der Welt im Jahr 1952
1953
Luther H. Evans wird Generaldirektor: Am 1. Juli wählt die zweite Außerordentliche Generalkonferenz Luther H. Evans (USA) zum UNESCO-Generaldirektor. Seine Amtsperiode dauert bis zum 4. Dezember 1958.
Gründung des UNESCO-Schulnetzwerks: Vertretende aus 15 UNESCO-Mitgliedstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, starten im November auf einer Tagung in Paris das ein Jahr zuvor von der Generalkonferenz beschlossene UNESCO-Schulprojekt (Associated Schools Project). In zunächst 33 Schulen des Sekundarbereichs werden Pilotprogramme zur internationalen Erziehung eingerichtet. Das Modellprojekt hat sich zum globalen Schulnetzwerk entwickelt. Heute gibt es weltweit rund 11.500 UNESCO-Projektschulen in 182 Ländern.
1954
Beitritt der Sowjetunion: Die UdSSR wird am 21. April 70. Mitgliedstaat der UNESCO. Ihr folgen am 12. Mai die Ukraine und Weißrussland. Russisch wird Konferenzsprache.
Haager Konvention: Eine von der UNESCO nach Den Haag einberufene Staatenkonferenz beschließt am 14. Mai das Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. Am 7. August 1956 tritt das Übereinkommen in Kraft.
Gründung von CERN: Am 29. September tritt das Abkommen zur Gründung der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Kraft. Die Grundsteinlegung des CERN-Laboratoriums in Genf erfolgt am 10. Juni 1955. CERN ist die erste gemeinsame Großforschungsanlage für Kernphysik, die auf Initiative der UNESCO gegründet wurde, um die wissenschaftliche Kooperation in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg neu zu beleben.
Tempel offiziell UNESCO-Emblem: Die Generalkonferenz genehmigt am 10. Dezember das Tempelmotiv als Emblem und offizielles Siegel der UNESCO. Auf dem Giebeldreieck des Parthenon basierend, war es bereits 1947 entworfen und in UNESCO-Veröffentlichungen verwendet worden.
Bundesrepublik Deutschland im Exekutivrat: Maria Schlüter-Hermkes vertritt die Bundesrepublik Deutschland erstmals im UNESCO-Exekutivrat. Sie gehört diesem aus 24 Mitgliedern bestehenden Gremium bis 1960 an.