Auf ein Wort,
Welterbe schützen, Klimawandel begegnen
Barbara Engels
Zuständige für UNESCO-Weltnaturerbe im Bundesamt für Naturschutz, Mitglied der deutschen Delegation zum Welterbekomitee und des IUCN Welterbe-Panels
Die Folgen einer nicht-nachhaltigen Entwicklung sind weltweit an vielen Welterbestätten schon heute spürbar. Umweltveränderungen im Zuge des Klimawandels wirken sich in teils gravierendem Maße auf das natürliche und kulturelle Erbe der Menschheit aus. Wie Nachhaltigkeit und Welterbeschutz zusammenhängen, wollten wir von Barbara Engels, Zuständige für UNESCO-Weltnaturerbe im Bundesamt für Naturschutz, wissen.
Im Juni 1972, wenige Monate vor der Verabschiedung der Welterbekonvention der UNESCO, fand in Stockholm die erste UNO-Weltkonferenz über die menschliche Umwelt statt. Inwieweit war der Nachhaltigkeitsgedanke entscheidend für die Ausrichtung des Welterbe-Programms?
Die Gründung des Welterbeübereinkommens 1972 war von der Idee des gemeinsamen Schutzes von Natur- und Kulturerbe geprägt. Der Bau des Assuan-Staudamms gefährdete die Tempel von Abu Simpel in Ägypten und führte zu einer solidarischen Rettungsaktion von mehr als 50 Staaten.
Der Nachhaltigkeitsgedanke war zwar indirekt im Leitgedanken der Konvention „Schutz des gemeinsamen Erbes für zukünftige Generationen“ verankert. Bis heute fehlt der Begriff Nachhaltigkeit jedoch in der Konvention – kein Wunder, denn der Text der Konvention wurde seit 1972 nicht verändert.
Wie hat der Gedanke dennoch Eingang in die Bestimmungen zum Schutz und Erhalt des Welterbes, insbesondere des Naturerbes, gefunden?
Nachhaltige Entwicklung als konkrete Anforderung an das Management von Welterbestätten fand erst 20 Jahre nach Verabschiedung der Konvention Eingang in die Regularien – im Kontext der damals eingeführten Kategorie der Kulturlandschaften als Weltkulturerbe. Seit 2002 ist der Begriff der nachhaltigen Nutzung an verschiedenen Stellen in den Durchführungsrichtlinien der Konvention erwähnt. Schutz und Nutzung von Natur- und Kulturerbe werden als “signifikanter Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung“ anerkannt.
Seit der Verabschiedung der Globalen Nachhaltigkeitsziele 2012 finden sich in fast allen strategischen und politischen Dokumenten des Übereinkommens vielfältige Bezüge zum Thema nachhaltige Entwicklung. So hat das Welterbekomitee 2012 politische Leitlinien zur Integration von nachhaltiger Entwicklung in die Prozesse des Übereinkommens verabschiedet.
Entscheidender für die Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens vor Ort ist jedoch, dass gerade die Auswirkungen nicht-nachhaltiger Entwicklung und Landnutzungen den gravierendsten Einfluss auf die Welterbestätten und deren außergewöhnlichen universellen Wert haben.
Wie genau muss man sich das vorstellen?
Bei den Naturerbestätten sind es zum Beispiel illegaler Holzeinschlag und Abholzung wie in den Regenwäldern Sumatras, Wilderei wie zum Beispiel in den Naturerbestätten der Demokratischen Republik Kongo oder im Selous Wildschutzgebiet in Tansania. Dazu gehören auch die Übernutzung der Meeresressourcen im Welterbe East Rennell der Salomonen, Bergbau im Virunga Nationalpark, ebenfalls in der Demokratischen Republik Kongo oder der Verkauf von Land zur Bebauung wie zum Beispiel im Belize Barriereriff. Alle diese Entwicklungen waren in den vergangenen Jahren Thema der Diskussion des Welterbekomitees.
Dabei erkennt die Welterbekonvention an, dass menschliche Aktivitäten – insbesondere jene traditioneller Gemeinschaften – häufig in Naturräumen stattfinden. Sie sind jedoch nur mit dem außergewöhnlichen universellen Wert einer Stätte vereinbar, wenn sie ökologisch nachhaltig sind.
Für viele Naturerbestätten gilt, dass sie als ausgewiesene Schutzgebiete einen sehr hohen Schutzstatus haben – zum Beispiel als Nationalpark oder Naturschutzgebiet – der in den meisten Fällen die direkte Ressourcennutzung verbietet, und nur non-konsumtive Nutzungen, wie zum Beispiel Tourismus, erlaubt. Nachhaltige Entwicklung bzw. Nutzung findet dann zumeist in den Gebieten um oder am Rande der Welterbestätten statt.
Welche Veränderungen in unserer Umwelt stellen aus Ihrer Sicht kurz- und langfristig die größten Gefahren für Welterbestätten weltweit dar?
Die wichtigsten Veränderungen der Umwelt mit Auswirkungen auf Weltnaturerbestätten ergeben sich vermutlich aus dem Klimawandel und den zu erwartenden Folgen: Anstieg des Meeresspiegels, Veränderungen in der Zusammensetzung von Flora und Fauna als Folge der Anpassung an Klimawandel, gemeint ist zum Beispiel die Einwanderung invasiver Arten, oder das Abschmelzen von Gletschern.
Wie viele Naturerbestätten sind betroffen?
Die Beraterorganisation IUCN verzeichnet im „World Heritage Outlook“ 2017 für 62 Weltnaturerbestätten signifikante Auswirkungen des Klimawandels – verglichen mit 35 im Jahr 2014. Korallenriffe und Gletscher gehören zu den am stärksten vom Klimawandel bedrohten Ökosystemen. Andere Ökosysteme wie Feuchtgebiete, tief liegende Flussdeltas, Permafrostgebiete und brandgefährdete Ökosysteme sind ebenfalls betroffen. Zum Weltnaturerbe gehörende Korallenriffe wie das Aldabra-Atoll im Indischen Ozean – das zweitgrößte Korallenatoll der Welt, das Belize Barrier Reef im Atlantik – das größte Barriereriff der nördlichen Hemisphäre – und das Great Barrier Reef – das größte Riff der Welt – waren in den letzten Jahren aufgrund steigender Meerestemperaturen von verheerenden Massenkorallenbleichen betroffen.
Inwieweit betreffen diese Gefahren auch die Naturerbestätten in Deutschland?
Die deutschen Weltnaturerbstätten haben bisher mit weniger extremen Auswirkungen zu kämpfen: Im Wattenmeer werden seit Ende der 1990er Jahre die möglichen Folgen des Klimawandels untersucht und die trilaterale Wattenmeerkooperation hat Anpassungsstrategien an den Klimawandel verabschiedet. Die wichtigsten Aspekte des Klimawandels in der Wattenmeerregion sind: Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten, Veränderungen der Niederschlagsmuster und deren Auswirkungen zum Beispiel auf die Verfügbarkeit von Frischwasser in der Region sowie der prognostizierte Anstieg der Jahrestemperaturen. Aufgrund der hohen Unsicherheit über das Ausmaß und die Richtung der oben genannten Aspekte des Klimawandels sowie die Komplexität der geophysikalischen und biologischen Wechselwirkungen stellen Prognosen über Richtung und Ausmaß dieser Aspekte nach wie vor eine große wissenschaftliche Herausforderung dar. Dennoch sind sie sehr wahrscheinlich. Für das Welterbe Wattenmeer wird daher aktuell ein „Klimawandel-Vulnerabilitätsindex“ entwickelt.
Wie sieht es bei den Alten Buchenwäldern aus?
Die fünf deutschen Schutzgebiete, die Teil der seriellen Welterbestätte „Alte Buchenwälder und Buchenwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ sind, sind bisher nicht vom Klimawandel betroffen. Dies ist der enormen Anpassungsfähigkeit der Buche an verschiedene klimatische Bedingungen zu verdanken. Eine weitere Zunahme des Klimawandels könnte jedoch andere Gebiete der Serie an extremeren Standorten betreffen. Vor allem in den südlichen Buchenwaldgebieten sind bereits Dürrebelastungen und steigende Temperaturen zu beobachten.
Die deutschen Weltnaturerbestätten Wattenmeer und Buchenwälder unterliegen als Nationalparks oder Kernzonen von Biosphärenreservaten dem höchsten Schutzstatus: menschliche Eingriffe sind streng geregelt und werden kontrolliert.
Die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus im Umfeld der Welterbestätte steht in allen deutschen Weltnaturerbegebieten ganz oben auf der Agenda.
Welchen konkreten Beitrag können Naturerbestätten im Kampf gegen Klimawandel und zur Vorbeugung von Umweltkatastrophen leisten?
Naturerbestätten tragen durch die Speicherung erheblicher Mengen an Kohlenstoff zur globalen Klimastabilität und damit zur Abmilderung des Klimawandels bei. Wälder, die sich in Weltnaturerbegebieten in den Tropen befinden, speichern 5,7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff.
Und etwa die Hälfte der Weltnaturerbestätten trägt dazu bei, Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Erdrutsche zu verhindern. In Indien und Bangladesch bietet die 2.200 Kilometer lange Mangrovenküste der Sundarbarns effektiven Hochwasserschutz, der sonst eine Investition von 300 Millionen US-Dollar in künstliche Infrastruktur erfordern würde.
Vielen Dank für das Interview, Frau Engels!