Auf ein Wort,

Interview zum 3. World Heritage Site Managers Forum

Nadya König-Lehrmann
Geschäftsführerin des Zweckverbands Welterbe Oberes Mittelrheintal

Conny Meister
Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart

Weltweit gibt es über 1.100 Welterbestätten, die unter den Schutz der Welterbekonvention von 1972 fallen. Stättenmanager setzen sich täglich dafür ein, das kulturelle und natürliche Erbe der Menschheit auch für nachfolgende Generationen zu erhalten. Seit 2017 bietet das „World Heritage Site Managers Forum“ Stättenmanagern weltweit die Möglichkeit, sich zu allen Belangen des Welterbes auszutauschen. Im Interview berichten Nadya König-Lehrmann und Conny Meister über ihre Eindrücke vom Forum, aktuelle Herausforderungen für Welterbestätten und ihre Vorschläge für die Zukunft.

Was ist das World Heritage Site Managers Forum? Wer hat es 2019 ausgerichtet?

Nadya König-Lehrmann: Das World Heritage Site Managers Forum - oder auch Stättenmanager-Forum - bietet eine wunderbare Plattform zum Austausch und zur Vernetzung von Stättenmanagern, die sich weltweit täglich für den Erhalt und die Entwicklung von Welterbestätten einsetzen. Das Forum wurde 2017 auf Initiative des polnischen National Heritage Board im Rahmen der 41. Sitzung des Welterbekomitees in Krakau ins Leben gerufen und fand nach Bahrain in 2018 nun bereits zum 3. Mal statt. Es wird stets durch das Gastgeberland ausgerichtet, in dem das Welterbekomitee tagt.

Conny Meister: 2019 tagte das 43. Welterbekomitee in Baku, der Hauptstadt die Republik Aserbaidschan. Dadurch fand auch das Site Manager Forum in Aserbaidschan statt. Es wurde vom 26. Juni bis 4. Juli in Zusammenarbeit mit ICCROM, dem Internationalen Zentrum für das Studium der Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut, und dem UNESCO World Heritage Centre organisiert. Am Forum nahmen 60 Stättenmanager aus 41 Ländern teil.

Was waren die diesjährigen Themenschwerpunkte?

Meister: Der thematische Fokus des diesjährigen Site Manager Forums lag auf dem Gebiet Nachhaltiges Welterbemanagement. Im Besonderen wurden aktuelle und drängende Fragen zu den Themen nachhaltiger Tourismus und Klimaveränderungen diskutiert.

König-Lehrmann: Da immer wieder neue Manager an dem Forum teilnehmen, gab es zum Einstieg eine sehr konzentrierte Vorstellung der Welterbekonvention, der entsprechenden UNESCO-Prozesse sowie der Akteure und deren Rollen. Neben den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung beschäftigen wir uns insbesondere auch mit Managementplänen und -systemen, der Implementierung von Risikoplänen und den sogenannten Welterbe-Verträglichkeitsprüfungen. Mit diesen Prüfungen wird sichergestellt, dass Veränderungen in und um Welterbestätten nicht deren außergewöhnlichen universellen Wert beeinträchtigen. Wir legten auch großes Augenmerk auf innovative Maßnahmen zur Vermittlung von Welterbe. Verständlich, da ja das Forum selbst auch eine Form der Kapazitätsbildung darstellt.

„Mich beeindrucken immer wieder die Leidenschaft und das Herzblut“

Wie hilfreich ist das Forum für Stättenmanager?

König-Lehrmann: Hier muss man besonders das „voneinander lernen“ betonen, denn bei einem solchen Forum kommt geballtes Wissen rund um alle relevanten Welterbe-Themen zusammen. Mich beeindrucken immer wieder die Leidenschaft und das Herzblut, das alle Manager von Welterbestätten mitbringen. Auch darum ist das Forum ein einzigartiger Rahmen, um die Herausforderungen und Chancen der Welterbestätten zu diskutieren.

Meister: Mein Eindruck ist auch durchweg positiv. Ich denke, dass sich die verschiedenen Stättenmanager ihrer Verantwortung bewusst sind und versuchen, kreative Lösungsansätze zu den Herausforderungen ihrer jeweiligen Stätte zu finden. Das Forum bietet hierfür eine große Anzahl von Themenbereichen, Lösungsansätzen und verschiedenen Partnern, mit denen man zusammenarbeiten kann. Auch wurden verschiedene methodische Werkzeuge vorgestellt, um die eigene Stätte anhand von Beispielen zu analysieren. Grundsätzlich halte ich einen internationalen Austausch darüber, wie Erhalt, Schutz und Vermittlung sinnvoll gestaltet werden können, für sehr wichtig – schließlich geht es um das kulturelle und natürliche Erbe der gesamten Menschheit.

Welchen Herausforderungen müssen sich Stättenmanager aktuell stellen?

König-Lehrmann: Die spezifischen Herausforderungen, vor denen Welterbestätten und ihre Manager stehen, sind im weltweiten Vergleich sehr vielfältig. Dennoch eint alle Stätten der nicht zu unterschätzende Bedarf an einer intensiven Vermittlung von Welterbe. Hier gilt es, die Welterbe-Idee, die Welterbekonvention, die UNESCO-Kriterien und auch die Bedeutung des außergewöhnlichen universellen Wertes einer Stätte auf allen Ebenen und in alle Bevölkerungsschichten zu transportieren und verständlich – ja eigentlich schon selbsterklärend – zu machen. Dieser Vermittlungsauftrag stellt neben einer nachhaltigen und welterbeverträglichen Entwicklung und Nutzung der Stätten die Hauptbeschäftigung der Manager dar. Insbesondere dann, wenn es darum geht, politische Entscheidungen, Interessen von Investoren und die Belange des Welterbes in Einklang zu bringen.

Meister: Welterbestätten sind in der Tat einzigartig und sehr verschieden, es gibt ja schon die grundlegende Unterscheidung zwischen Naturstätten und Kulturstätten. Dennoch sind die Herausforderungen sehr ähnlich: Tourismus, Entwicklungsdruck sowie klimatische und anthropogene Veränderungen in und um die jeweilige Stätte. Die Stättenmanager versuchen hierbei stets eine Balance zwischen Fortschritt und Schutz zu schaffen, um eine Stätte auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Eine solche Balance kann aber nur erreicht werden, wenn eine Stätte für Bewohner lebenswert und für Besucher erlebbar gestaltet ist. Hierfür braucht es die Entwicklung eines gut durchdachten nachhaltigen Managementplans.

„Schutz und Erhalt einer Welterbestätte benötigen eine holistische Herangehensweise“

 

 

 

 

 

 

3. World Heritage Site Managers Forum

Wo
Baku, Aserbaidschan

Wann
26 Juni bis 4 Juli 2019

Dokumente
Statement (PDF) 
Programm (PDF)

 

 

 

 

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Beraterorganisationen der UNESCO?

König-Lehrmann: Während des Site Manager Forums arbeiten die Teilnehmer sehr eng mit den auf das Welterbe spezialisierten Beraterorganisationen der UNESCO – ICCROM, ICOMOS und IUCN – zusammen, was für mich eine weitere positive Erfahrung war. Im täglichen Umgang mit einer Welterbestätte ergeben sich immer wieder Berührungspunkte zu diesen Organisationen, die nicht immer unbedingt konfliktfrei sind. Daher ist eine bessere Kenntnis der jeweiligen Strukturen, Zuständigkeiten und Prozesse von Vorteil, um das gegenseitige Verständnis zu erhöhen. Auch bieten die Beraterorganisationen Kurse und Angebote zum Aufbau von Kapazitäten und Wissen an, was für die Arbeit der Stättenmanager sehr hilfreich ist.

Welche Erkenntnisse werden Sie aus dem diesjährigen Forum mitnehmen?

Meister: Eine wesentliche Erkenntnis bei mir ist, dass Schutz und Erhalt einer Welterbestätte eine holistische Herangehensweise benötigen. Aufgabe muss und wird es sein, verschiedene Partner, wie zum Beispiel UNESCO-Geoparks, UNESCO-Biosphärenreservate, UNESCO-Projektschulen sowie unterschiedlichste Interessensvertreter zusammenzubringen, um alle Aspekte und Erfahrungen hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung in die Managementstrategie einer Welterbestätte zu integrieren.

Was wäre wichtig für die Zukunft?

Meister: Ich würde mir wünschen, dass es einen stärkeren Austausch zwischen den Stättenmanagern gibt. Ein Austausch über Erfahrungen im Umgang mit Herausforderungen sowie über spezifische Herangehensweisen zur Lösung von Fragen und Aufgabenstellungen innerhalb des Welterbemanagements können hierbei ein wichtiges Element darstellen. Die Teilnehmer am World Heritage Site Manager Forum sollten und können zudem als nationale Multiplikatoren des im internationalen Managerforum Erfahrenen fungieren.

König-Lehrmann: Ich halte es auch für wichtig, dauerhafte nationale und internationale Plattformen zur Vernetzung und zum Austausch der Stättenmanager zu etablieren. Um das Forum noch mehr an unserem Bedarf auszurichten, sollte zudem die Agenda gemeinsam mit den Managern erstellt werden. Die Beteiligung der Manager an den Foren kann für die jeweiligen UNESCO-Mitgliedsstaaten einen großen Nutzen darstellen, da der Zugewinn an Wissen und Kenntnissen in regionalen Managerforen auf Länderebene weitergegeben werden könnte und so ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch aller Ebenen ermöglicht würde.

 

 

 

 

 

 

Publikation

Welterbe vermitteln - Handreichung zu Informationszentren im Welterbe.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2018

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