UNESCO-Welterbe Archäologische Stätte Thimlich Ohinga
Zeugnis der Migrations- und Siedlungsgeschichte südlich der Sahara
Die archäologische Stätte Thimlich Ohinga ist Kenias 7. Welterbestätte und der am besten erhaltene traditionelle Siedlungskomplex aus Trockenmauerwerk in der Region um den Viktoriasee. Die neue Welterbestätte ist ein herausragendes Zeugnis der Migrations- und Siedlungsgeschichte südlich der Sahara.
Fakten
- Aufnahmejahr: 2018
- Staaten: Kenia
- Art der Stätte: Kulturstätte
- Erfüllte Aufnahmekriterien:
(iii), (iv), (v) - Webseite des UNESCO-Welterbezentrums
Die archäologische Stätte Thimlich Ohinga zeigt die Überreste eines Siedlungskomplexes aus Trockenmauerwerk nordwestlich der Stadt Migori im Gebiet des Viktoriasees in Kenia. Schätzungen zufolge wurde er im 15. Jahrhundert n. Chr. erbaut. Der Ohinga diente nach heutiger Kenntnis dem Schutz der Bevölkerung und des Viehbestands. Gleichzeitig war er ein kleines wirtschaftliches, religiöses und soziales Zentrum. Die neue Welterbestätte umfasst vier große Trockenmauerkomplexe, sog. Ohingni, mit ihren jeweiligen Erweiterungen auf insgesamt 21 Hektar. Der Hauptkomplex ist der Ohinga K’Ochieng. Jede Anlage besteht aus einer großräumigen Einfriedung aus massiven Trockenmauern, die in kleinere Flächen durch niedrigere Trockenmauern und Vertiefungen für Behausungen abgegrenzt sind. Die Außenmauern sind zwischen 1,5 bis 4,5 m hoch und durchschnittlich 1 m breit.
Massiver Trockensteinbau zeugt von gemeinschaftlichen Siedlungsstrukturen
Thimlich Ohinga ist ein außergewöhnliches Zeugnis der Siedlungstraditionen am Viktoriasee. Die Stätte veranschaulicht gemeinschaftliche Siedlungsstrukturen, Viehzucht und Handwerksformen unterschiedlicher aufeinanderfolgender Volks- und Sprachgruppen in dieser Region (Kriterium iii). Die archäologischen Funde zeugen von der Raumorganisation der Gemeinschaften und den ausgeklügelten Verbindungen zwischen den Ohingni in unmittelbarer Umgebung. Zudem geben sie Aufschluss über Interaktionsmuster der Gemeinschaften zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert.
Auszug aus dem Statement of Outstanding Universal Value, 2018
Thimlich Ohinga is an exceptional testimony of settlement patterns and spatial community relations, which documents the successive occupation by different people from various linguistic origins during an important episode in the migration and settlement of the Lake Victoria Basin.
Thimlich Ohinga ist ein herausragendes Zeugnis von Siedlungsstrukturen und räumlichen Beziehungen zwischen Gemeinschaften, die die aufeinanderfolgende Besiedlung durch unterschiedliche Volks- und Sprachgruppen in einem wichtigen Abschnitt der Migrations- und Siedlungsgeschichte in der Region um den Viktoriasee belegt.
Die Überreste der befestigten Siedlungen sind zudem ein eindrucksvolles Beispiel für Siedlungsformen in der Region zu einer Zeit, die aufgrund von umweltbedingten, sozialen und wirtschaftlichen Spannungen durch verstärkte Migrationsbewegungen gekennzeichnet war. Die massiven Trockenmauern stehen für einen wichtigen Abschnitt in der Migrations- und Siedlungsgeschichte in Afrika südlich der Sahara (Kriterium iv).
Die archäologische Stätte Thimlich Ohinga ist der größte und am besten erhaltene traditionelle Steinkomplex dieser Art in der Region. Es handelt sich um ein herausragendes Beispiel der Tradition des großflächigen Trockenmauerbaus mit unbearbeiteten Materialien der ersten pastoralen Gesellschaften am Viktoriasee vom 16. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (Kriterium v).
Porträtserie
Im Rahmen der 42. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees 2018 in Manama, Bahrain, wurden 19 Stätten neu in die Liste des Welterbes aufgenommen. In ihrer Gesamtheit versinnbildlichen sie die Vielfalt und Bandbreite des gemeinsamen Kultur- und Naturerbes der Menschheit.
Afrika und die globale Strategie für eine repräsentative Welterbeliste
Seit 1994 ist die sog. Globale Strategie Grundlage und Leitfaden für eine repräsentative, ausgewogene und glaubwürdige Welterbeliste. Zu den Zielen der Strategie gehören u.a., bestehende thematische und regionale Lücken in der Welterbeliste zu erfassen, auszufüllen und weniger gut repräsentierte Länder bei der Vorbereitung ihrer Vorschlagslisten und Nominierungen zu unterstützen.
Afrika zählt zu den weniger gut repräsentierten Regionen auf der Welterbeliste. Während 514 der nunmehr 1.092 Welterbestätten in Europa und Nordamerika liegen, befinden sich lediglich 95 aller Welterbestätten (d.h. 8,7%) in Afrika. Von den 46 Vertragsstaaten der Welterbekonvention, die der Gruppe afrikanischer Länder zugeordnet werden, haben 11 Staaten (noch) keine Welterbestätte auf ihrem Gebiet. Hervorzuheben ist jedoch auch, dass der Anteil von Kultur- und Naturerbestätten in Afrika sehr ausgeglichen ist: 55% der Stätten dort sind Kulturerbe-, 40% Naturerbe- und 5% gemischte Stätten.
Gleichzeitig ist das Natur- und Kulturerbe in Afrika häufig in besonderem Maße gefährdet und daher verstärkt auf Unterstützung und internationale Kooperation zum Schutz und Erhalt der Welterbestätten angewiesen: 16 der derzeit 54 Stätten auf der Liste des gefährdeten Welterbes liegen in Afrika, 12 davon sind Naturerbestätten, wie bspw. die Stätte „Nationalparks am Turkana-See“ in Kenia, die bei der 42. Sitzung des Welterbekomitees in die Liste des gefährdeten Welterbes eingetragen wurde, oder auch der älteste Nationalpark des afrikanischen Kontinents – der Nationalpark Virunga in der Demokratischen Republik Kongo mit den dort vorkommenden und vom Aussterben bedrohten Berggorillas.