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Bericht über die 38. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Doha (Katar), 15.-25. Juni 2014
Dr. Birgitta Ringbeck ist Beauftragte der Kultusministerkonferenz für das UNESCO-Welterbe. Sie gehörte der deutschen Delegation bei der 38. Tagung des Welterbekomitees an und berichtet über die Beschlüsse der Tagung.
Aus deutscher Sicht war das erfreulichste Ergebnis der 38. Tagung des Welterbekomitees die Aufnahme des Karolingischen Westwerks und der Civitas Corvey in die Welterbeliste. Das Komitee hat auch der Erweiterung des Weltnaturerbes Wattenmeer um das dänische Wattenmeerschutzgebiet und zusätzliche Offshore-Gebiete in Niedersachsen zugestimmt. Als 1000. Welterbestätte wurde das Okavango-Delta in Botsuana in die Liste eingeschrieben. Kritisch bewertet wurden die nicht immer schlüssigen Entscheidungsvorlagen zu den Nominierungen. Mehrfach hat sich das Welterbekomitee über das Votum von ICOMOS hinweggesetzt, was teilweise politisch, teilweise aber auch fachlich begründet war.
Die 38. Sitzung des Welterbekomitees fand vom 15. bis 25. Juni 2014 in Doha, Katar, unter Vorsitz von Sheikha Al Mayassa bin Khalifa Al Thani statt. Eröffnet wurde die Sitzung von dem katarischen Premierminister Abdullah bin Nasser bin Khalifa Al Thani. In seiner Begrüßungsansprache kündigte er an, dass seine Regierung zehn Millionen US-Dollar in einen neuen Fonds zugunsten von durch Konflikt oder Naturkatastrophen gefährdeten Welterbestätten einzahlen werde. Neben Sheikha Al Mayassa bin Khalifa Al Thani verlasen auch der Vorsitzende des UNESCO-Exekutivrats, Mohamed Sameh Amr, und der scheidende Direktor der Kulturabteilung der UNESCO, Francesco Bandarin, Grußworte.
Alle 21 Mitglieder des UNESCO-Welterbekomitees waren anwesend. Darüber hinaus waren 93 der insgesamt 191 Vertragsstaaten der Welterbekonvention mit Beobachtern vertreten. Zudem haben Berater von ICCROM, ICOMOS und IUCN sowie weitere Beobachter von über 50 internationalen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, darunter Experten des RAMSAR-Sekretariats, des WWF, von Greenpeace Russland und verschiedenen Organisationen zur Vertretung indigener Völker, sowie rund 350 individuelle Beobachter an der Tagung teilgenommen. Mit insgesamt über 1.500 registrierten Teilnehmern erreichte auch diese Zahl einen Höchststand. Wie in den vergangenen Jahren konnte die Sitzung per Live Stream im Internet verfolgt werden und war für akkreditierte Journalisten zugänglich.
26 Stätten in die Welterbeliste eingeschrieben
In diesem Jahr hat das Welterbekomitee 26 Kultur- und Naturerbestätten neu in die Welterbeliste aufgenommen. Die "Liste des Kultur- und Naturerbes der Menschheit" verzeichnet jetzt 1007 Stätten in 161 Ländern. Erstmals ist Myanmar in der Welterbeliste vertreten. Von den Neuaufnahmen zählen 21 zum kulturellen Erbe, vier zum Naturerbe, eine Stätte zählt zu beiden Kategorien.
Insgesamt lagen dem Komitee 36 Nominierungen für die Welterbeliste sowie fünf Anträge auf Erweiterung von Welterbestätten zur Entscheidung vor. Fünf Nominierungen, darunter der Antrag Vietnams zur Nominierung des Cat-Ba-Archipels als Naturerbe, wurden vor Aufruf des Tagesordnungspunktes zurückgezogen, weil die Beschlussvorlagen empfahlen, die Stätten nicht in die Liste einzuschreiben. Alle zwölf Stätten, die uneingeschränkt zur Einschreibung empfohlen worden waren, wurden im Konsens in die Welterbeliste eingetragen. Zwei Anträge, die mit "Referral" (Wiedervorlage ohne weitere Evaluierung vor Ort innerhalb von drei Jahren) bewertet worden waren, wurden entgegen den Empfehlungen der Beratungsorganisationen in die Liste aufgenommen.
Unter den "Referrals" befand sich auch der deutsche Antrag "Karolingisches Westwerk und Civitas Corvey". In seinem Evaluierungsbericht hatte ICOMOS die grundlegenden Kriterien Integrität und Authentizität, die Kriterien (ii), (iii) und (iv) zur Begründung des außergewöhnlichen universellen Wertes der Stätte sowie die Vergleichsanalyse und die Festlegung von Grenzen für einen wirksamen Schutz des Kulturerbes bestätigt. Wegen einer zur Zeit noch laufenden Bewertung möglicher Standorte für Windkraftanlagen in Höxter und dem Hinweis, dass eine Verwaltungsbehörde für die in Privatbesitz befindliche Stätte eingerichtet werden solle, lautete das Votum aber auf Wiedervorlage. Um die Bedenken auszuräumen, wurde eine Erklärung der Stadt Höxter mit der Versicherung vorgelegt, dass Windkraftanlagen, die negative Auswirkungen auf die visuelle Integrität der Stätte haben könnten, nicht genehmigt werden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die privaten Eigentümer die Klosteranlage seit über 1200 bzw. 200 Jahren traditionell im Sinne der Denkmalpflege pflegen und erhalten, dass Denkmal- und Baurecht in Deutschland ein koordiniertes und ordnungsgemäßes Verfahren garantieren und eine Verwaltungsbehörde weder sachlich noch rechtlich zu begründen sei. Die Komiteemitglieder schlossen sich dieser Auffassung an. Ohne Gegenstimme und Einwände wurde Corvey in die Welterbeliste eingetragen.
Oft nicht stringente Evaluierungen
Von den 13 Anträgen, die mit dem Votum "to defer" (Zurückweisung, substanzielle Überarbeitung, erneute Evaluierung vor Ort) belegt waren, wurden zehn in die Welterbeliste eingetragen (allesamt Kulturerbestätten). Nur bei drei afrikanischen Kulturlandschaften, die zu Beginn verhandelt wurden, übernahm das Welterbekomitee das Votum "Deferral". Die hohe Abweichungsrate von den Beschlussempfehlungen ist einerseits auf die politischen Interessen und die besonders hohe Solidarität unter den Staaten des asiatisch-pazifischen Raumes zurückzuführen; sie ist aber auch Resultat der oft nicht stringenten Evaluierungen von ICOMOS. Während bei einigen Stätten der Nachweis zur Erfüllung der Aufnahmekriterien ausreichte, Defizite im Management nur in den Empfehlungen zur Einschreibung angesprochen wurden und sogar die einzelnen Komponenten einer seriellen Nominierung von ICOMOS selbst identifiziert und reduziert wurden, führte ein solches Evaluierungsergebnis in anderen Fällen zu einem "Deferral". Ein Vergleich beispielsweise der Evaluierungsberichte und Empfehlungen zu "Qhapaq Ñan – Inka-Hauptstraßen in den Anden" (Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru) und "Poverty Point" (USA) macht nachdenklich und lässt die Vermutung aufkommen, dass im Welterbeausschuss von ICOMOS International auch geopolitische Erwägungen bei den fachlichen Entscheidungen eine Rolle spielen.
Auffallend war auch, dass von den nominierten Kulturlandschaften in diesem Jahr nur die klassische Weinlandschaft Piemont von ICOMOS zur Einschreibung empfohlen wurde, die übrigen fünf nominierten Kulturlandschaften hatten nicht mehr als ein "Deferral" bekommen, darunter auch die türkische Nominierung "Pergamon und seine Kulturlandschaft". Fachlich nicht nachvollziehbar war hier, dass die Stätte den Empfehlungen von ICOMOS zufolge auf die römischen und hellenistischen Komponenten reduziert und die osmanische Zeitschicht ausgeklammert werden sollte. Dem widersprach auch der Leiter der Istanbul-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, der Mitglied der türkischen Delegation war. Das Welterbekomitee bestätigte mit der Einschreibung in die Welterbeliste den außergewöhnlichen universellen Wert von Pergamon, dessen Erbe nicht nur in Deutschland und unter Archäologen zu den Ikonen der Kulturgeschichte zählt.
Palästinensische Nominierung im Dringlichkeitsverfahren
Drei der nominierten Kulturstätten, die palästinensische Nominierung "Land der Oliven und des Weins – Kulturlandschaft von Südjerusalem, Battir", die französische Nominierung "Chaîne de Puys et Faille de Limagne" und die Nominierung "Khor Dubai" der Vereinigten Arabischen Emirate, waren nicht zur Einschreibung empfohlen worden. Die Nominierung der palästinensischen Stätte, welche die erste Komponente einer seriellen Nominierung sein soll, war mit Hinweis auf den Bau von israelischen Grenzanlagen in der Pufferzone im Dringlichkeitsverfahren eingereicht worden. ICOMOS hatte aber weder die Gefährdungslage, noch den außergewöhnlichen universellen Wert der Stätte bestätigt. Dessen ungeachtet wurde der Antrag in geheimer Abstimmung mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit angenommen, Battir wurde sowohl in die Welterbeliste als auch in die Liste des Welterbes in Gefahr eingetragen. Die von Frankreich nominierte Stätte "Chaîne de Puys et Faille de Limagne" war von IUCN abgelehnt worden, da die notwendigen Kriterien zur Begründung des außergewöhnlichen universellen Wertes als nicht erfüllt bewertet wurden. Im Vorfeld der Sitzung hatte Frankreich bereits umfangreiches Lobbying betrieben und bemängelt, die Evaluierung von IUCN sei fachlich nicht haltbar. Dieses Lobbying wurde während der Sitzung massiv verstärkt. Das Komitee entschied nach intensiver und zum Teil wenig fachlicher Debatte auf "Referral". Deutschland hatte – wie auch weitere Komiteemitglieder (Japan, Finnland, Polen, Kroatien, Kolumbien, Philippinen, Südkorea) – die Position von IUCN unterstützt, konnte sich aber mit dem Vorschlag für ein "Deferral" schlussendlich nicht durchsetzen. "Khor Dubai" der Vereinigten Arabischen Emirate wurde auf "Deferral" hochgestuft, was eine komplette Überarbeitung des Antrags und ein erneutes Evaluierungsverfahren bedeutet.
Ad-hoc-Arbeitsgruppe soll Empfehlungen für bessere Zusammenarbeit ausarbeiten
Symptomatisch für die 38. Sitzung des Welterbekomitees ist, dass nur ein Viertel der von den beiden Beratungsgremien IUCN und ICOMOS vorgeschlagenen Entscheidungen vom Welterbekomitee übernommen wurden. Der Umstand, dass dabei die Voten von IUCN weit mehr Berücksichtigung fanden, als die von ICOMOS, hat sowohl mit Qualität als auch mit Quantität zu tun. Von den fünf Anträgen, die IUCN allein zu begutachten hatte, waren vier zur Einschreibung empfohlen worden, weshalb eine davon abweichende Bewertung des Komitees nicht zu erwarten war. Darüber hinaus hinterlassen die Repräsentanten von IUCN, die in der Regel praktische Erfahrungen als Manager und Naturschützer haben, im Vergleich zu ihren eher von der Theorie geleiteten Kolleginnen und Kollegen von ICOMOS einen wesentlich überzeugenderen Eindruck. Die generelle Unzufriedenheit mit der Situation führte dazu, dass unter dem Tagungsordnungspunkt "Verschiedenes" am Ende der Sitzung beschlossen wurde, eine "Ad-hoc-Arbeitsgruppe" zu bilden, die aus zwei Mitgliedern jeder Regionalgruppe bestehen und unter dem Vorsitz Deutschlands – als Gastgeber der nächsten Komiteesitzung – die Arbeitsmethoden und Entscheidungsprozesse der Beratungsorganisationen untersuchen und Empfehlungen für eine bessere Zusammenarbeit ausarbeiten soll.
Auch die Nominierungen und Erweiterungen von Stätten, die sowohl zum Naturerbe als auch zum Kulturerbe zählen, wurden kontrovers diskutiert: Der unter Natur- und Kulturerbekriterien nominierte Landschaftskomplex Trang-An in Vietnam wurde trotz erheblicher Probleme in der Grenzziehung und offenen Managementfragen eingeschrieben. Die mexikanische Stätte "Maya-Stadt Calakmul und Tropische Regenwälder in Campeche" wurde um eine wesentliche Fläche – circa 100mal größer als das ursprüngliche Gebiet – erweitert und um Naturerbekriterien ergänzt. Auch hier war die Bewertung der Beratungsorganisationen negativ gewesen. Die Vertragsstaaten äußerten deutliche Kritik an den Evaluierungen. Dies zeigt, dass erhebliche Probleme in der Anwendung und Evaluierung von Natur- und Kulturerbekriterien bei Stätten entstehen, die durch die Interaktion von Mensch und Natur geprägt sind; Naturerbewerte können in Kulturlandschaften offensichtlich nicht adäquat erfasst werden.
Im Auftrag des Welterbekomitees erarbeiten IUCN und ICOMOS seit 2013 im Rahmen eines Projektes, das unter anderem von der giz und vom Christensen Fund gefördert wird, an verschiedenen Modellen für eine verbesserte Zusammenarbeit bei der Evaluierung und im Umgang mit gemischten Stätten. Diskutiert wird auch eine mögliche Änderung der Kriterien, um die Interaktion zwischen Mensch und Natur besser berücksichtigen zu können. Das BfN wird im Frühjahr 2015 dazu einen Workshop auf Vilm ausrichten, um die weitere Diskussion hierzu zu fördern.
Erfolgreiche grenzüberschreitende Kooperation am Wattenmeer
Als Erfolg der grenzüberschreitenden Kooperation Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande kann die Erweiterung des Weltnaturerbes Wattenmeer angesehen werden. Mit der Erweiterung um den dänischen Teil und den seewärtigen Teil des Niedersächsischen Wattenmeer-Nationalparks steht nun das gesamte Wattenmeergebiet von Den Helder im Westen bis Esbjerg im Norden unter dem besonderen Schutz der UNESCO.
Für die seit 1979 anerkannte Welterbestätte "Nationalpark Belovezhskaya Pushcha / Bialowieza" (Belarus/Polen) lag ein Antrag auf Re-Nominierung unter geänderten Kriterien und neuen Grenzen als nun transnationale Stätte vor, der vom Komitee positiv beschieden wurde. Auch der Erweiterung der seriellen Stätte "Karstlandschaft Südchina" (China) um weitere Teilgebiete wurde zugestimmt. Gleichzeitig stellte das Komitee fest, dass diese serielle Stätte damit vollständig sei und keine zusätzlichen Erweiterungen mehr möglich sind.
Geringfügige Grenzänderungen
Nachdem 2013 Australiens Antrag auf eine Grenzerweiterung der Naturerbestätte "Nationalparks von West-Tasmanien" im Komitee mit breitem Konsens angenommen wurde, hatte Australien in diesem Jahr einen schlecht belegten und nicht nachvollziehbaren Antrag auf Verkleinerung der Stätte eingereicht. Die für eine Herausnahme vorgeschlagenen Gebiete (insgesamt 139) seien, so die Argumentation Australiens, durch Holzeinschlag bzw. bestehende Eukalyptusplantagen degradiert. Dies wurde von IUCN nicht bestätigt. Der Antrag der australischen Regierung beruht vermutlich auf einflussreichem Lobbying einiger weniger Senatoren mit Kontakten zur Holzindustrie. Der Antrag war in Australien hoch umstritten, neben den australischen NGOs lehnten auch Vertreter der indigenen Bevölkerung und der australische Senat den Antrag ab. Das Komitee folgte dem Entscheidungsvorschlag der IUCN einstimmig. Dies wurde von mitgereisten NGO-Vertretern aus Australien als erneuter Meilenstein für den Schutz der tasmanischen Wälder gefeiert.
Erhaltungszustand der Welterbestätten
Die fortwährende Überwachung des Erhaltungszustands der Welterbestätten ist eines der wichtigsten Instrumente der Welterbekonvention. 143 Berichte zum Erhaltungsstatus von Welterbestätten lagen dem Komitee in diesem Jahr vor. Neun Stätten, die Fragen zum Erhaltungszustand zufriedenstellend beantwortet bzw. die notwendigen Maßnahmen ergriffen hatten, wurden in einer "Omnibus-Entscheidung" aus dem SOC-Reporting "entlassen".
Liste des gefährdeten Welterbes
In der sogenannten "Roten Liste" verzeichnet das Welterbekomitee Kultur- und Naturerbestätten, die besonders bedroht sind. Die Gefährdung dieser Welterbestätten hat unterschiedliche Gründe: Kriege, Naturkatastrophen, Bergbau, Mineraliengewinnung, Erdölförderung, Dammbauten sowie andere mit der Energieversorgung zusammenhängende Megaprojekte, Umweltverschmutzung, Infrastrukturprojekte, urbaner Entwicklungsdruck und Massentourismus. Wie im Vorjahr gab es nicht zu allen Stätten, die auf der "Roten Liste" stehen, eine Aussprache, nachdem das Komitee 2011 beschlossen hatte, nur Stätten im Reinforced-Monitoring jährlich zu diskutieren, während die anderen jedes zweite Jahr zur Aussprache kommen.
Überwiegend sind keine positiven Entwicklungen zu verzeichnen. Dramatisch ist die Gefährdung der sechs syrischen Welterbestätten, die im vergangenen Jahr alle in die Liste des bedrohten Welterbes eingetragen worden sind. Als einzige Stätte konnten in diesem Jahr die Ruinen von Kilwa Kisiwani und Songo Mnara in Tansania aus der "Roten Liste" gestrichen werden. Gleichzeitig aber wurde das tansanische Wildreservat von Selous in die Liste eingetragen. Gründe dafür sind die massive Zunahme der Wilderei, ein Staudammprojekt (Stiegler's Gorge und Kidunda), mögliche weitere Bergbauaktivitäten im Welterbegebiet sowie bisher nur unzureichend erfüllte Auflagen, die Tansania 2012 bei der Verkleinerung des Welterbegebietes akzeptiert hatte.
Weiterhin dramatisch ist die Situation auch im Okapi-Tierschutzgebiet sowie im Virunga-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo. Während die Zunahme der Wildtierpopulationen und die Rückgewinnung der Kontrolle über das Gebiet des Virunga-Nationalparks im Jahr 2012 als positiv zu bewerten sind, hat sich die Sicherheitslage in der Demokratischen Republik Kongo seit der letzten Komiteesitzung wieder verschlechtert. Nach wie vor stellen auch die Pläne zur Ölförderung eine massive Bedrohung dar. Eine Erdölexploration widerspricht der geltenden nationalen Gesetzgebung. Umso begrüßenswerter ist die Zusage der britischen SOCO, im Welterbegebiet kein Öl zu fördern. Im letzten Jahr hatte bereits TOTAL versichert, man wolle keine Ölförderung im Virunga-Nationalpark betreiben. Das Komitee verabschiedete erneut einen starken Appell gegen Ölförderung im Welterbegebiet und forderte die Regierung der Demokratischen Republik Kongo auf, alle Genehmigungen für Erdölexploration im Welterbegebiet zurückzunehmen. Kritisch zu sehen ist eine Äußerung der Regierung außerhalb der Komiteesitzung, in der angekündigt wird, für Ölförderung den Park ggf. zu verkleinern. Dies würde zum Verlust des außergewöhnlichen universellen Wertes der Naturerbestätte und zur Austragung aus der Welterbeliste führen.
Auch die Stadt Potosi in Bolivien wurde aufgrund des anhaltenden, unkontrollierten Bergbaubetriebs in die Liste des gefährdeten Welterbes eingetragen. Auf der "Roten Liste" stehen damit jetzt insgesamt 46 Stätten in 31 Ländern.
Weitere Statusberichte
Abgesehen von den Statusberichten zu Welterbestätten, die auf der "Roten Liste" verzeichnet sind, gab es noch weitere 97 Beschlussvorlagen zum Erhaltungszustand der bis einschließlich 2013 eingeschriebenen Welterbestätten. Kontrovers diskutiert wurde der Vorschlag, die Bergbau-Landschaft von Cornwall und West-Devon und Westminster (Palast und Abtei) in Großbritannien wegen Hochhaus- und Infrastrukturprojekten auf die Liste des Welterbes in Gefahr zu setzen. Die entsprechenden Beschlussempfehlungen wurden von Deutschland unterstützt, fanden im Plenum aber keine Mehrheit, sodass es nur bei eindringlichen Mahnungen blieb.
Schwierig war die Diskussion zum Great Barrier Reef, das durch massive Kohleförderung und den damit einhergehenden Ausbau von Häfen sowie durch Schadstoffeinträge aus der Landwirtschaft bedroht ist. Zusätzlichen Anlass für Besorgnis gibt die Entscheidung, drei Millionen Kubikmeter Ausbaggerschutt aus dem Hafenausbau im Reef abzulagern. Das Great Barrier Reef zählt in Fragen des Welterbe-Managements zu den herausragenden Akteuren, insbesondere der "Great Barrier Reef Outlook Report" ist ein exzellentes Bespiel, wie Monitoring und Assessment für das Management und für die politische Kommunikation genutzt werden können. Dies wird auch in der Bewertung durch das Welterbezentrum und IUCN deutlich. Dennoch hat das Gebietsmanagement (Great Barrier Reef Marine Authority) nur begrenzte Möglichkeiten, den Stellenwert und Schutz des Weltnaturerbes in national bedeutsamen Entwicklungsprozessen (Kohle- und Flüssiggasexport) geltend zu machen.
Australien versuchte im Vorfeld und während der Komiteesitzung, durch massives Lobbying Einfluss auf das Komitee zu nehmen, um den Entscheidungsvorschlag in den entscheidenden (kritischen) Punkten abzumildern, während anwesende Vertreter des WWF International sich bemühten, die Entscheidung zu halten. Nach intensiver Diskussion beschloss das Komitee, den ursprünglichen Entscheidungsvorschlag beizubehalten. Darin begrüßt das Komitee die Fortschritte Australiens in Bezug auf die Wasserqualität und das strategische Assessment. Wiederholt stellt das Komitee aber die Forderung, die strategische Planung so anzulegen, dass Fortschritte messbar sind, kumulative Effekte berücksichtigt und konkrete Schutzmaßnahmen unternommen werden. Das Komitee äußerte sich zudem besorgt über die vor der Komplettierung des strategischen Assessments erteilte Erlaubnis für Küstenentwicklungsprojekte und bedauerte, dass das Ablagern von Ausbaggerschutt im Riff genehmigt worden ist, ohne dass Alternativen geprüft und weniger schädliche Optionen verfolgt worden seien. Australien müsse sicherstellen, dass der außergewöhnliche universelle Wert der Naturerbestätte erhalten bleibt. Deutschland hatte den ausgewogenen, jedoch durchaus kritischen Beschlusstext unterstützt.
Die thailändische Naturerbestätte "Dong Phayayen - Khao Yai Waldkomplex" ist durch zunehmenden illegalen Holzeinschlag (siamesischer Palisander) und illegale Landnutzung (Weidewirtschaft) gefährdet. Außerdem ist der Ausbau eines Highways im Welterbegebiet geplant und ausreichende Wildtierkorridore fehlen. Thailand betonte seine enormen Anstrengungen zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags durch verbesserte Kontrollen und die Listung der entsprechenden Art in CITES im Gebiet. Das Komitee beschloss daher, die Entscheidung, ob die Naturerbestätte in die Liste des gefährdeten Welterbes eingeschrieben wird, auf 2015 zu vertagen – verbunden mit einem deutlichen Appell, den illegalen Handel mit siamesischem Palisander zu bekämpfen.
Im Falle des Lake Turkana in Kenia hatte IUCN auf die aktuellen Bedrohungen hingewiesen, die mit dem Bau des Staudamms GIBE III in Äthiopien verbunden sind. Während der drei Jahre, die zur Füllung des Staudamms benötigt werden, wird ein massives Absinken des Wasserspiegels des Turkana-Sees erwartet; es könne bis zu zwölf Jahren dauern, bis der normale Wasserstand wieder erreicht ist. Nach intensiver Diskussion beschloss das Komitee, von einer Eintragung in die Liste des gefährdeten Welterbes vorläufig abzusehen, forderte Kenia und Äthiopien jedoch dazu auf, eine Umweltverträglichkeitsprüfung des Staudammprojekts durchzuführen. Damit trug das Komitee den aktuellen Entwicklungen Rechnung. Zwischen Kenia und Äthiopien haben in den vergangenen Monaten intensive Verhandlungen stattgefunden. Äthiopien hat die Einladung zu der lange geforderten IUCN-Mission ausgesprochen, die die Auswirkungen des Staudammbaus vor Ort prüfen soll. Entscheidend ist, dass mögliche negative Folgen für den Turkana-See weitestgehend abgeschwächt werden. Das Komitee berät 2015 erneut über den Fall.
Im slowakischen Teilgebiet der trilateralen Naturerbestätte "Buchenurwälder der Karpaten und alte Buchenwälder Deutschlands" geben ein schlechtes Management und die Abholzung von Waldflächen in der Pufferzone des Welterbegebiets Anlass zur Besorgnis. Das Komitee äußerte ernste Bedenken über eine mögliche Gefährdung der Integrität des Gebietes und forderte die Slowakische Republik auf, Maßnahmen für ein verbessertes Management des Naturerbes zu ergreifen und den nicht-nachhaltigen Holzeinschlag im Welterbegebiet zu stoppen.
Tentativlisten
Die von den Mitgliedstaaten eingereichten neuen Vorschlagslisten zu künftigen Welterbenominierungen (Tentativlisten) wurden angenommen. Damit liegen nun für 177 der derzeit 191 Vertragsstaaten der Welterbekonvention Tentativlisten vor.
Die nächsten deutschen Kandidaten für die Welterbeliste sind der Naumburger Dom und die Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut in Sachsen-Anhalt sowie die Speicherstadt und das Kontorhausviertel mit dem Chilehaus in Hamburg. Die Nominierungsanträge sind bereits eingereicht und als vollständig akzeptiert worden, ebenso wie die unter der Federführung Islands laufende Bewerbung der Wikingerstätten in Nordeuropa mit den deutschen Komponenten Haithabu und Danewerk. Auch die unter deutscher Federführung für die Komiteesitzung 2016 eingereichte Bewerbung "Montane Kulturlandschaft Erzgebirge / Krušnohoří" hat bereits den Vollständigkeitstest bestanden.
Bericht des Welterbezentrums
Das Welterbezentrum hat in seinem diesjährigen Bericht die Ergebnisse seiner Arbeit im Hinblick auf die 5 C’s – Credibility, Conservation, Communication, Capacity-Building und Communities – vorgestellt. Der Bericht nimmt auch Bezug auf die Umstrukturierung des Welterbezentrums und die veränderte Personalsituation. Anlass zur Besorgnis gibt der durch die nach wie vor angespannte Finanzsituation der UNESCO bedingte Personalabbau und der damit verbundene Verlust an Expertise im Bereich des Naturerbes. Deutschland thematisierte dies in einer Intervention und brachte, unterstützt durch weitere Komiteemitglieder, einen entsprechenden Passus in den Entscheidungsvorschlag ein.
Das Welterbezentrum berichtete dem Komitee außerdem über die Aktivitäten in den verschiedenen thematischen Programmen. Deutschland beteiligt sich unter anderem an dem internationalen "World Heritage Marine Programme" und dem "Sustainable Tourism Programme". An der Umsetzung dieser beiden Programme wirkt auch das trilaterale Wattenmeersekretariat aktiv mit. In der Debatte um das "World Heritage Forest Programme" sah der ursprüngliche Entscheidungsvorschlag das sofortige Auslaufen des Programms vor. Deutschland stellte in der Diskussion heraus, dass das Beenden dieses Programms ein schlechtes Signal sei, da Waldgebiete einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt leisten. Viele der zum Welterbe gehörenden Waldgebiete sind akut bedroht. Die Entscheidung wurde dahin gehend geändert, dass vor Auslaufen des Programms, das über keine extrabudgetären Mittel verfügt, andere Optionen zur Weiterführung der Aktivitäten eruiert werden sollen.
Fortschrittsbericht "Upstream-Processes"
Die Diskussion zum Fortschrittsbericht zu den sogenannten "Upstream-Processes" – der Beratung von Vertragsstaaten durch die Beratungsorganisationen IUCN und ICOMOS im Vorfeld von Nominierungen, bei der Erstellung nationaler Vorschlagslisten oder bei komplexen Nominierungen – machte erneut deutlich, dass diese Prozesse immer wieder zu Konfliktsituationen führen, zum Beispiel wenn Nominierungen, die einem "Upstream-Process" unterlagen, von den Beratungsorganisationen (hier vor allem ICOMOS) negativ evaluiert werden oder wenn einzelne Experten von IUCN oder ICOMOS in individueller Funktion Vertragsstaaten beraten und diese dann annehmen, dies sei eine offizielle Beratung im Sinne des "Upstream-Process". So begrüßenswert der verbesserte Dialog zwischen den Beratungsorganisationen und den Vertragsstaaten auch ist, so notwendig ist die Erarbeitung von verbindlichen Rahmenbedingungen für die Vorgehensweise. Als eine Option des verbesserten Dialogs ist vom Welterbezentrum und den Beratungsorganisationen eine Verlängerung der Evaluierungsphase um ein Jahr ins Gespräch gebracht worden. Auf Intervention Deutschlands wurde die Nennung nur dieses einen Vorschlags aus einem notwendigen Bündel von Maßnahmen aus dem Entscheidungsvorschlag gestrichen.
Evaluierung der "Globalen Strategie" und der PACT-Initiative
Ergebnis der externen Audits zur "Globalen Strategie für eine ausgewogene, repräsentative und glaubwürdige Welterbeliste" und zur "World Heritage Partnerships for Conservation Initiative" (PACT) war die dringende Empfehlung der Generalversammlung der Vertragsstaaten der Welterbekonvention, Staaten, die für das Welterbekomitee kandidieren, dazu zu verpflichten, keine Nominierungen während ihrer Komiteemitgliedschaft vorzulegen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Überprüfung des Rechtsberaters hat jedoch ergeben, dass das Recht auf Vorlage von Nominierungen in der Konvention festgeschrieben worden ist und nur ein Appell mit Hinweis auf Freiwilligkeit möglich ist, was mit dem Beschlussvorschlag vollzogen wurde. Es ist damit zu rechnen, dass Vertragsstaaten, die in Zukunft kandidieren, diese Empfehlung beachten. Polen und Finnland beispielsweise haben bei ihrer Kandidatur im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass sie sich daran halten.
Welterbekomitee tagt 2015 in Bonn
Die 39. Sitzung des Welterbekomitees findet vom 28. Juni bis 8. Juli 2015 in Bonn statt. Zur Präsidentin wurde Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, gewählt. Als Vizepräsidenten wurden Vertreter der Länder Senegal, Indien, Jamaika, Katar und Kroatien gewählt. Zur Berichterstatterin wurde Naya Khairallah, Libanon, ernannt.
Geleitet wurde die deutsche Delegation von Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Der Delegation gehörten außerdem an: Dr. Birgit Ramscheid (Auswärtiges Amt), Botschafter Dr. Michael Worbs (Ständiger Vertreter Deutschlands bei der UNESCO), Uwe Noack (Auswärtiges Amt/Ständige Vertretung Deutschlands bei der UNESCO), Dr. Birgitta Ringbeck, Beauftragte der Kultusministerkonferenz für das UNESCO-Welterbe, Barbara Engels (Bundesamt für Naturschutz), Denis Kumetat (Deutsche Botschaft Katar), Staatssekretär Walter Schuhmacher (Rheinland-Pfalz), Dr. Stefanie Hahn (Rheinland-Pfalz), Ludger Eilebrecht, Prinz von Ratibor und Corvey, Prof. Dr. Klaus Töpfer (NRW/Corvey), Anita Eichhorn (Sächsisches Innenministerium), Prof. Dr. Helmut Albrecht und Friederike Hansell (beide TU Freiberg).