UNESCO-Weltdokumentenerbe Karolingische Handschriften aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen

Bilderhandschriften der vier Evangelien

Die Handschriften aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen zählen zu den bedeutendsten Bilderhandschriften aus der frühmittelalterlichen Zeit um 800, der beginnenden Epoche der karolingischen Kaiser. Sie enthalten den lateinischen Text der vier Evangelien sowie ganzseitige Darstellungen der vier Evangelisten. Das „Ada-Evangeliar“ bildet die Leithandschrift der Hofschule Karls des Großen. Heute befinden sich die Handschriften in Archiven in fünf europäischen Staaten. Die Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier war federführend bei der Nominierung der Handschriften für das UNESCO-Register „Memory of the World“.

Illustration Weldokumentenerbe

Die malerisch gestalteten Handschriften der Hofschule Karls des Großen gehören zu den Höhepunkten der mittelalterlichen Kultur. Am kaiserlichen Hof versammelten sich die bedeutendsten Künstler und Gelehrten der Epoche und schufen dort ein Zentrum von internationalem Rang und weitreichendem Einfluss. Die in Worms und Aachen am Hof entstandenen Handschriften repräsentieren den höchsten Grad an Kunst, Kultur und Wissenschaft, der um das Jahr 800 n. Chr. möglich war. Die prächtig illuminierten Codices greifen auf Beispiele der römischen, byzantinischen und insularen Kunst zurück. Gleichzeitig führten sie zur Entwicklung eines neuen Stils, der sich durch große Kreativität und Wirksamkeit auszeichnet. Die Darstellungen der vier Evangelisten knüpfen an das Modell antiker Kaiserporträts an und übertragen es in einen christlichen Kontext.

Die Handschriften beleuchten das Verhältnis von Kirche und Staat, sie dokumentieren die biblische und liturgische Reformation des karolingischen Hofes, sind Ausdruck der Antikenwahrnehmung im Mittelalter und belegen die Reichsideologie und das kaiserliche Selbstverständnis Karls des Großen. Von der Zeit ihrer Entstehung bis heute verdeutlichen die Handschriften das Ideal der politischen und kulturellen Einheit des karolingischen Reiches.

Darüber hinaus erfüllten sie als Schenkungen wichtige Funktionen innerhalb der Repräsentationskultur am kaiserlichen Hof. Als kaiserliche Geschenke wurden sie an hochrangige Würdenträger und wichtige mittelalterliche Kulturzentren wie Tours, Trier, Lorsch, Centula und Soissons verschenkt. Sie hatten eine synergetische Wirkung auf die regionalen Zentren des Karolingerreichs, in denen ebenfalls solche kostbaren Handschriften hergestellt wurden. Das Werk der Hofschule hatte somit einen prägenden Einfluss auf die gesamte Epoche und den Kulturraum.

Auflistung der Dokumente mit Standorten:

1. Godescalc-Evangelistar (Paris, Französische Nationalbibliothek, Nouv. Acq. Lat. 1203)

2. Evangelienbuch aus St.-Martin-des-Champs (Paris, Französische Nationalbibliothek, Bibliothek des Arsenals, Ms 599)

3. Ada-Evangeliar, Codex (Trier, Wissenschaftliche Bibliothek, Hs 22)

4. Ada-Evangeliar, Einband (Trier, Wissenschaftliche Bibliothek, bei Hs 22)

5. Der Dagulf-Psalter (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1861)

6. Ein Evangelien-Fragment mit der Verkündung an Zacharias (London, British Library, Cotton Claudius B. V., fol. 134v)

7. Das Evangeliar von Centula ["Evangelium von Saint Riquier"] (Abbeville, Stadtbibliothek, Ms 4 [1])

8. Ein Evangeliar unbekannter Herkunft (London, British Library, Cod. Harl. 2788)

9. Das Evangeliar aus St. Médard in Soissons (Paris, Französische Nationalbibliothek, Ms lat. 8850)

10. Das Lorscher Evangeliar [Matthäus- und Markusevangelium] (Rumänische Nationalbibliothek, Alba Iulia, Abteilung Batthyaneum, Cod. II.1)

11. Das Lorscher Evangeliar, Elfenbeintafeln und Buchdeckel (London, Victoria and Albert Museum, Inv.-Nr. 138-1866)

Fakten

weitere Artikel

Die Reichenauer Handschriften
Perikopenbuch Heinrichs II., Reichenau ca. 1007-1012, BSB Clm 4452

UNESCO-Weltdokumentenerbe

Die Reichenauer Handschriften

Die Handschriften des Klosters Reichenau am Bodensee aus dem 10. und 11. Jahrhundert sind ein herausragendes Zeugnis der ottonischen Buchmalerei. Nach dem Niedergang des karolingischen Reiches war unter den sächsischen Kaisern eine kulturelle Blüte eingeleitet worden. Auf dem Gebiet der Kunst führte dies zu einer Vorrangstellung der ottonischen Buchmalerei in Europa.
weiterlesen
Renaissance-Bibliothek des Königs Mathias Corvinus

UNESCO-Weltdokumentenerbe

Renaissance-Bibliothek des Königs Mathias Corvinus

Charakteristisch für die Bibliotheca Corviniana sind die meist prachtvollen Illuminierungen der Handschriften mit eingezeichnetem Wappen des Königs, die mit Gold gezierten Ledereinbände und die Samt- und Seideneinbände. Zusammengetragen wurde die Bibliothek mit großem Aufwand vom ungarischen König Mathias Corvinus (1458-1490).
weiterlesen