Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe
Kulturformen der Nutzung bäuerlicher Gemeinschaftswälder im Steigerwald und angrenzenden Regionen
Die Gemeinschaftswälder im Steigerwald und den angrenzenden Regionen sind Allmenden, die nach traditionellen Regeln und Praktiken mit Hilfe überlieferter Fertigkeiten bewirtschaftet werden. Örtlich spezifische Regularien bestimmen die Aufteilung der Schlagfläche, der Ernte sowie die Verteilung des Holzes. Die Bewirtschaftung mit der Stockausschlagtechnik ist besonders nachhaltig.
Fakten
- Aufnahmejahr: 2020
- Verbreitung: im Steigerwald und angrenzenden Regionen
- Zentraler Termin: ganzjährig
- Bereich: Gesellschaftliche Bräuche, Feste, Rituale; Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum; traditionelle Handwerkstechniken
Kontakt
Willanzheimer Güterwald
Ingrid Reifenscheid-Eckert
E-Mail
Die jahrhundertealten Regeln für die Bewirtschaftung der Gemeinschaftswälder sind zum Teil in Weistümern und lokalen Waldordnungen festgehalten worden oder werden bis heute mündlich überliefert. Das betrifft insbesondere das Wissen über die Art und Weise, wie die Waldflächen eingemessen werden, durchzuführende Pflege- und Fällmaßnahmen sowie die Aufbereitung und Lagerung des eingeschlagenen Holzes.
Im späten 17. und 18. Jahrhundert hatte sich die Stockausschlagwirtschaft in weiten Teilen Deutschlands als waldbaulicher Standard in Laubwäldern durchgesetzt und leistete aus heutiger Sicht dem forstlichen Nachhaltigkeitsgedanken Vorschub. Mit Eintreten von Industrialisierung und Urbanisierung sowie aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen heraus wurden diese Wälder Schritt für Schritt in „Hochwald“ überführt. Hier wird der Wald aus Saat oder Pflanzung ohne Stockhiebe wesentlich älter.
Losgelöst von der historischen Waldbewirtschaftungsform wird noch in vielen Fällen das jahrhundertealte, oft nur mündlich überlieferte handwerkliche Wissen über Techniken der Vermessung, des Einschlags, der Aufbereitung sowie der Verteilung des Holzes ausgeübt. Hierzu gehört auch die feierliche Zusammenkunft in Rathäusern oder traditionsreichen Gaststätten, beispielsweise im Anschluss an die Holzvergabe.
Mit dem Überbegriff „Bäuerliche Gemeinschaftswälder“ lassen sich gemeinschaftlich bewirtschaftete Wälder zusammenfassen, die in ihrer Bewirtschaftungsweise und Rechtsform ganz unterschiedlicher Natur sein können.
Sind diese Formen einmal abgelöst, lassen sich die traditionellen Nutzungssysteme mit ihren Bräuchen und Rechtssystemen nur selten wiederherstellen. Zur Weitergabe benötigen sie deshalb interessierte Trägergemeinschaften, eine behutsame Anpassung an moderne Herausforderungen und die Wissensvermittlung an die kommenden Generationen.
Zur Erhaltung der bäuerlichen Gemeinschaftswälder sind Handwerkstechniken wie das traditionelle Einmessen und Markieren der schachbrettartigen Schlagflächen unter Gebrauch historischer Vermessungsinstrumente wie einem historischen Längenmaß maßgeblich. Dazu kommen Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur. Hier spielt vor allem das Ziel, den Wald auf Dauer für die Menschen zu erhalten und ihn nicht zu übernutzen eine große Rolle.