Rede,

100. Geburtstag von Sophie Scholl

Prof. Dr. Maria Böhmer

Prof. Dr. Maria Böhmer
Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission

Grußwort zum Gedenken an Sophie Scholl

Sie wäre heute 100 Jahre alt geworden: Sophie Scholl, Studentin an der Münchener Universität und Mitglied der Weißen Rose.

Die Weiße Rose ist heute als wichtigste Widerstandsgruppe gegen das Hitler-Regime weit über Deutschland hinaus bekannt. Insbesondere Sophie Scholl wurde zur Haupt­figur in Filmen, Romanen und Theaterstücken. Die junge Frau steht für Zivilcourage, Mut und den Kampf gegen Ungerechtigkeit und ist zu einem Vorbild, ganz besonders für junge Menschen, geworden: Etwa 200 Schulen in Deutschland tragen den Namen der Geschwister Scholl.

Die UNESCO ehrt jedes Jahr Menschen, die in besonderer Weise für die Ziele der UNESCO eingestanden sind. Anlässlich ihres 100. Geburtstags wird dieses Jahr Sophie Scholl geehrt, als junge Frau, die für das Recht auf freie Meinungsäußerung, für grund­legende Menschenrechte und demokratische Werte gekämpft und dafür mit ihrem Leben bezahlt hat. Gerade heute, in einer Zeit, in der unsere Gesellschaft mit neuen Formen von Diskriminierung, Ausgrenzung, Gewalt, Radikalisierung und Extremismus konfrontiert ist, ist die Erinnerung an Sophie Scholl ganz besonders wichtig.

Aufgewachsen in einem liberalen bürgerlichen Elternhaus, fühlte sich Sophie Scholl wie viele andere Jugendliche auch zunächst angezogen von dem Gemeinschaftsideal, das die Nationalsozialisten propagierten und engagierte sich im Bund Deutscher Mädel. Doch schon bald beginnt Sophie Scholl zu zweifeln. Die Propaganda der Nazis widerspricht ihren Idealen. Zu Beginn des Krieges ändert sich ihre Einstellung zum Nationalsozialismus grundlegend. Von zunächst passivem Widerstand, entscheidet sie sich, der Widerstandsgruppe Weiße Rose beizutreten und selbst aktiv zu werden.

Eine wichtige Rolle spielte dabei ihr tiefer christlicher Glaube, durch den sie ein sehr klares Bewusstsein für Recht und Unrecht entwickelte. Am Tag ihrer Hinrichtung schrieb Sophie Scholl: "So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von Menschen aufzurütteln und wachzurütteln". Lesen wir diese Worte, so begreifen wir, dass das Verteilen der Flugblätter, das Sophie Scholl kurz darauf mit dem Leben bezahlen würde, Ausdruck ihres Gewissens war. Durch die Schriften wollte sie ihre Mitmenschen aufklären und wachrütteln – geleitet von der tiefen Überzeugung, nicht länger schweigen zu können.

Voller Bewunderung sehe ich heute, wie überzeugend ihr das gelungen ist! Bis heute rüttelt sie uns wach und der Mut, mit dem sich Sophie Scholl für humanistische Ideale eingesetzt hat, ist uns bis heute Auftrag und Vorbild zugleich – längst nicht nur in der Politik auch im Alltag.

Weltweit erleben wir derzeit, dass Demokratie, Freiheit und Menschenrechte keine Selbst­verständlichkeit sind. Es liegt an jeder und jedem Einzelnen, immer wieder dafür ein­zutreten und zu kämpfen. Mit ihrer beispielhaften Zivilcourage ermutigt Sophie Scholl auch heute gerade junge Menschen, sich einzumischen und Verantwortung da­für zu tragen, dass unsere Demokratie nie wieder gefährdet ist. Sie mahnt uns, auf un­se­re Mitmenschen zu achten, niemanden ausgrenzen und allen Menschen gleich­be­rechtigte Teilhabe an Bildung und Kultur zu ermöglichen. Ich wünsche mir, dass uns die Erinnerung an Sophie Scholl bei allem, was wir tun, begleitet und uns immer wieder inspiriert, aktiv für Menschlichkeit und demokratische Werte einzutreten.

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