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Wie verändert (generative) KI die Arbeit im Kulturbereich? – Digitales Werkstattgespräch der Reihe „Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“
Durch KI eröffnen sich neue kulturelle Ausdrucksmöglichkeiten und Zugänge zu Kunst und Kultur. Die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern, Kreativen und Kulturtätigen wird teils vereinfacht, einige Barrieren für die künstlerische Produktion überwunden. Auf der anderen Seite zeigt sich immer mehr, dass KI-Technologien auch bestimmte kreative Tätigkeiten, die bislang durch Menschen ausgeführt wurden, (zumindest teilweise) ersetzen können. Berufsbilder verändern sich oder fallen weg. Neue Fähigkeiten in der künstlerischen Produktion wie auch in der Kulturvermittlung werden benötigt.
Zu dieser ambivalenten Ausgangslage tauschten sich im Rahmen der digitalen Werkstattgesprächsreihe „Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“ der Deutschen UNESCO-Kommission am 21. März 2024 über 100 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft aus. Gemeinsam widmeten sie sich der Frage, wie (generative) KI die Arbeit im Kulturbereich verändert, teilten Erfahrungen und Wissen und diskutierten Ansätze und erste Handlungsempfehlungen für einen menschenzentrierten Umgang mit KI in Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft.
Gleich zu Beginn des Werkstattgesprächs beleuchtete Dr. Jessica Heesen, Leiterin des Forschungsschwerpunkts Medienethik, Technikphilosophie und künstliche Intelligenz an der Universität Tübingen, die Frage, ob KI-Technologien eine Bereicherung oder eine Herausforderung für die menschliche Kreativität und die Kulturproduktion und -rezeption darstellen. Was bedeutet Kreativität heute? Als positives Signal wertete sie unter anderem das kürzlich geschlossene Abkommen zwischen der „Writers Guild of America“ und den großen amerikanischen Filmproduzenten. Demnach dürfen KI-Technologien beispielsweise nicht für die Erstellung von Drehbüchern genutzt werden. Dieses Beispiel macht deutlich: Menschen und in diesem konkreten Fall Kreative können, wo notwendig, durchaus Grenzen für KI-Technologien definieren. Sie zeigte zudem auf, welche Rahmenbedingungen für einen ethischen Umgang mit KI-Technologien nötig sind und wie diese entsprechend in der UNESCO-Empfehlung zur Ethik der KI und dem EU-AI-Act festgehalten wurden. Dazu gehören unter anderem Transparenz- und Kennzeichnungspflichten, aber auch die Förderung von Medienkompetenz.
Im zweiten Impulsvortrag stellte Florian Dohmann, Gründer und Chief Creative von „Birds on Mars“, Praxisanwendungen von KI-Technologien vor. So führte er den Teilnehmenden beispielsweise vor Augen, wie KI-Technologien neue Möglichkeitsräume eröffnen, um Kultur und Natur neu zu erleben. In Museen werden vergangene oder zerstörte Kulturgüter durch KI „wiederbelebt“ und dadurch für Menschen ungleich erfahrbarer als bisher. KI-Technologien eröffnen uns darüber hinaus neue Möglichkeiten, um kulturelle Inhalte inklusiv zugänglich und erlebbar zu machen, wie beispielsweise durch das „sprechende Bücherregal“, eine KI-Anwendung, die literaturbezogene Fragen von Bibliotheksbesucherinnen und -besuchern beantwortet. KI schaffe neue Jobs und Möglichkeiten, könne Inspirationsquelle und Muse sein, erfordere aber von der „Generation KI“ auch Haltung und Verantwortung. Eine besonders große Herausforderung sei dabei das enorme Tempo, in dem sich Technologien und Programme weiterentwickelten. KI verändere nicht nur die Kunstwerke und Kulturprodukte („new art“), es verändere auch die Künstlerinnen und Künstler sowie die Kulturtätigen selbst („new artists/workers“).
Beide Impulsvorträge machten deutlich: KI kann im Sinne des Menschen auch im Kultur- und Kreativbereich sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt werden. Um dies zu schaffen, ist jedoch eine breit angelegte Kompetenzoffensive notwendig.
Anschließend diskutierten die Teilnehmenden mit Expertinnen und Experten in vier parallel stattfindenden Fokusgruppen. Zum Aufbau von Kompetenzen in der KI-Nutzung bei Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturtätigen tauschten sich die Teilnehmenden mit Jasmin Grimm, Leiterin des NEW NOW Festivals der Stiftung Zollverein Essen, aus. Die Vermittlung von Kompetenzen zur Nutzung von KI-Werkzeugen und die Befähigung, eigene Anwendungen zu entwickeln, sollten fester Bestandteil der künstlerischen Ausbildung sein. Nur durch fundierte Kenntnisse seien Künstlerinnen und Künstler auch in der Lage, Künstliche Intelligenz nach ihren Bedürfnissen zu gestalten und zu nutzen („Prosumenten“), anstatt KI-Anwendungen als reine Konsumenten zu verwenden. Weiterhin wurde unterstrichen, dass Silodenken überwunden werden sollte, denn sparten- und branchenübergreifender Austausch zu Expertise und neuen Entwicklungen berge großes Potenzial.
Tina Lorenz, Leiterin des Hertz-Labors am Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) führte die Diskussion zum Kompetenzaufbau in der KI-gestützten Vermittlung kultureller Inhalte. Gewinnbringend wurde der Austausch von guten Praxisbeispielen zwischen Kultureinrichtungen gesehen. So sollte die erneute Nutzbarkeit von Codes für andere Kultureinrichtungen möglich sein und bereits bei deren Erstellung mitgedacht werden. Auch sollten Teams in Kultureinrichtungen diverser aufgestellt werden und mehr Freiräume geschaffen werden, um neue Formate und Ideen auszutesten. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Tech- und Kulturexpertinnen und -experten sei zudem eine wichtige Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung neuer KI-Anwendungen und KI-Vermittlungsprojekte.
Welche Regulierungen zur Förderung und zum Schutz kultureller Vielfalt nötig sind, erörterte Tabea Golgath, Projektleiterin des Förderprogramms „LINK – KI und Kultur“ der Stiftung Niedersachsen, in einer weiteren Fokusgruppe. Kunst- und Kulturtätige geraten beispielsweise durch die unentgeltliche Verwendung von Daten für das Training von KI-Anwendungen (z.B. von Large Language Models) unter Druck, nutzen diese Anwendungen doch häufig Daten ohne individuelle Zustimmung. Persönlichkeits- und Urheberrechte müssten daher angemessen reguliert werden. Kennzeichnungspflichten von Trainingsdaten für KI-Dienste, durch welche die Herkunft der genutzten Daten nachvollziehbar wird, seien hier eine wichtige Maßnahme.
Angesichts von Monopolisierungstendenzen besprachen die Teilnehmenden in einer vierten Fokusgruppe mit Matthias Strobel, Gründer und Präsident von MusicTech Deutschland, wie kleine und mittlere Kulturbetriebe gestärkt werden können. Neue staatliche und private Förderprogramme, die die Weiterbildung und Innovationskultur von Kulturtätigen und Kreativen in Deutschland unterstützen, seien dringend nötig. So könne gefördert werden, dass branchenspezifische KI-Werkzeuge entwickelt werden und einer Abhängigkeit von großen Konzernen entgegengewirkt wird. Besonders wichtig sei es zudem, mehr Schnittstellen zwischen Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft zu schaffen und entsprechende sektorübergreifende Netzwerke aufzubauen.
Hintergrund
Ausgangspunkt der Gesprächsreihe bilden die Empfehlungen für den Kulturbereich der 2021 verabschiedeten UNESCO-Empfehlung zur Ethik der KI, das erste globale, völkerrechtliche Instrument in diesem wichtigen Zukunftsfeld. Sie steht im Einklang mit und ergänzt die Ziele der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen im Kontext neuer technologischer Entwicklungen.
Die Deutsche UNESCO-Kommission arbeitet seit 2021 daran, dass die Empfehlung in den verschiedenen Politikfeldern als regulatorische Richtschnur verstanden und genutzt wird. Mit der digitalen Werkstattgesprächsreihe „Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“ möchte sie einen offenen Austausch über den ethischen Umgang mit KI im Kulturbereich fördern und entsprechende Handlungsansätze identifizieren. Nach der Auftaktveranstaltung im Oktober 2023 zu „Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur – Potenziale und Risiken“ wird die Diskussion mit zwei Werkstattgesprächen im März und Mai 2024 vertieft.
Terminhinweis
Das nächste digitale Werkstattgespräch zum Thema „Schutz und Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen im Kontext von KI“ findet am 16. Mai 2024 – dem UNESCO-Welttag der Kulturellen Vielfalt – von 14.00 bis16.30 Uhr statt. Es wird in Kooperation mit der Luxemburgischen, Österreichischen und Schweizerischen UNESCO-Kommission veranstaltet. Nähere Informationen erhalten Sie hier.