Rede,
70 Jahre Deutsche UNESCO-Kommission
Prof. Dr. Maria Böhmer
Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission
Eröffnungsrede zum Sommerfest anlässlich des 70. Jubliäums der Deutschen UNESCO-Kommission
- Es gilt das gesprochene Wort! –
Liebe Mitglieder der DUK,
sehr geehrte Gäste
herzlich Willkommen zu unserem Sommerfest anlässlich des 70jährigen Jubiläums der DUK.
Dass wir uns heute in der Bundeskunsthalle real begegnen können, ist nach anderthalb Jahren Pandemie wahrlich nicht selbstverständlich. Ich gestehe, wir haben in der DUK den Atem angehalten und uns wieder und wieder gefragt, ob wir die Einladung wagen können. Umso mehr freuen wir uns, so viele Gäste hier begrüßen zu dürfen.
Wir haben in der Pandemiezeit aber auch gelernt, dass digitale Treffen mehr Mitgliedern und Gästen eine Teilnahme ermöglichen. Diese Möglichkeit wollen wir heute zusätzlich nutzen. Ich grüße alle sehr herzlich, die digital zugeschaltet sind. Schön, dass Sie dabei sind!
Wir haben uns entschlossen, das Jubiläum der DUK einmal anders zu begehen. Die Pandemie war dafür ein zusätzlicher Auslöser. Keine klassische Festveranstaltung, keine langen Reden, sondern mit Ihnen gemeinsam ein musikalisches Sommerfest feiern – real und digital. Aus diesem Anlass überreichen wir Ihnen heute auch das neue Jahrbuch der DUK mit einem eigenen Jubiläumsteil zu 70 Jahren DUK.
Gerne möchte ich – auch im Namen des Präsidiums – einige wenige Gäste begrüßen, die der DUK besonders verbunden sind. Seien Sie uns alle herzlich willkommen. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen!
Als besonderes Zeichen der Wertschätzung und Verbundeheit empfinde ich die Gratulations-Botschaften von Außenminister Maas und der Generaldirektorin der UNESCO, Audrey Azoulay. Unterstreichen sie doch nachdrücklich die internationale Zusammenarbeit zur Sicherung des Friedens, der Menschenrechte und für eine nachhaltige Entwicklung, die Kraft von Bildung und Kultur, die über Grenzen verbindet, und die einzigartige Rolle der Nationalkommissionen als wirkungsvolles Bindeglied zur Zivilgesellschaft.
Dieses klare Bekenntnis zum Multilateralismus verbindet uns mit der Gründungszeit der UNESCO und der DUK und ist von entscheidender Bedeutung für eine human und nachhaltig gestaltete Zukunft der Menschheit.
I. 70 Jahre DUK – ein Blick zurück
Ein kurzer Blick zurück kann angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen Mut machen, Ideen freisetzen und Kraft geben.
Als die Bundesrepublik Deutschland 1951 in die UNESCO aufgenommen wurde, war das wahrlich keine Selbstver-ständlichkeit nach den schrecklichen Jahren der Nazi-Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges. Eine Mitgliedschaft in der UN war damals noch undenkbar. Dass sich die Türen zur UNESCO öffneten, erklärt sich aus dem Leitgedanken der UNESCO: Wenn Kriege im Geist der Menschen entstehen, dann kann auch der Friede nur dort entstehen. Daraus ist für Deutschland, aber auch die DUK als Nationalkommission, eine besondere Verpflichtung erwachsen, der wir uns in diesen 70 Jahren mit allem Nachdruck gestellt haben.
Wenn ich an die Anfangszeit der DUK denke, bewegt mich immer wieder, mit welchem Elan die Weichen gestellt, erste Initiativen gestaltet wurden, ein Aufbruch gewagt wurde. Als ein unabhängiger Verein gegründet wurde die DUK 1951 als Nationalkommission von der Bundesregierung anerkannt und gefördert. Ihre personelle und finanzielle Ausstattung war allerdings sehr überschaubar. Aber sie konnte sich schon damals auf eine beachtliche Reihe ehrenamtlicher Mitglieder stützen, die davon beseelt waren, in Deutschland und im Kreis der Völkergemeinschaft den Friedensgedanken voranzubringen.
Kein Zweifel, „Frieden in den Köpfen der Menschen zu verankern“, war und ist geradezu visionär. Doch die Vision ist das eine, ihre Umsetzung ist das andere. Wie die DUK von Anbeginn bis heute dazu ihren Beitrag leistet, ist eindrucksvoll und faszinierend.
II. Der Schulbuchausschuss der DUK
Ein Beispiel dafür ist der Schulbuchausschuss der DUK, der direkt nach der Gründung entstanden ist. Im Informationsdienst der DUK vom Mai 1955 heißt es dazu: „Da ist der Schulbuchausschuss, der bisher vielleicht die wirksamste Tätigkeit entfaltet hat. Die meisten Schüler wissen gar nicht, wie viel die UNESCO in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Lehrerorganisationen und in Deutschland besonders durch die Hilfe des Internationalen Schulbuch-Instituts in Braunschweig für die Verbesserung der Schulbücher getan hat, vor allem durch die Ausmerzung von Vorurteilen und falschen Darstellungen in den Geschichtsbüchern.“
Die Schulbucharbeit ist ein unmittelbarer und richtungsweisender Beitrag zur Versöhnung und zur Befähigung zum Frieden. Sie hat maßgeblich entsprechende UNESCO-Initiativen befruchtet und stets neue Fragestellungen aufgegriffen. Sie bezieht die Wissenschaft ein, hier das Leibniz-Institut für Internationale Schulbuchforschung, und strahlt auf unsere Netzwerke aus, beispielweise die UNESCO-Projektschulen mit ihren aktuellen Projekten zu Global Citizenship Education, Demokratie- und Menschenrechtsbildung.
Sie fragen sich jetzt vielleicht, warum ich die Schulbucharbeit in den Blick nehme und nicht etwa die UNESCO-Weltkonferenz zu Bildung für nachhaltige Entwicklung oder die neuen Welterbestätten oder unseren Freiwilligendienst kulturweit? Am Beispiel der Schulbucharbeit lässt sich hervorragend nachvollziehen, was die DUK auszeichnet, was sie stark macht. Denn wenn wir heute von der DUK als einer der erfolgreichsten Nationalkommissionen sprechen können, so ist auch das keine Selbstverständlichkeit. Es ist das Ergebnis ihres beeindruckenden Wirkens über 70 Jahre hinweg und ihrer beispielhaften Verankerung in der Zivilgesellschaft und Politik.
III. Fünf Gründe für den Erfolg der DUK
Was macht also die DUK so stark? Entscheidend für die erfolgreiche Arbeit der DUK ist erstens das, was uns alle unter ihrem Dach zusammenführt: „Frieden durch internationale Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation zu schaffen.“
Diese Leitidee der UNESCO verbindet unsere Mitglieder, unsere Partner, unsere Netzwerke, treibt sie immer wieder an, lässt sie Rückschläge überwinden und einen neuen Anlauf wagen. Weltoffenheit und Nachhaltigkeit prägen unser Handeln.
Zweitens, das Erfolgsrezept Ehrenamt und Netzwerke: Von Beginn an war die Arbeit von dem Wunsch nach Dialog und Austausch getragen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit anderen, die Verbindungen zur Wissenschaft und der fruchtbare wechselseitige Austausch sind wesentliche Säulen für Erfolg und „Impact“ der DUK. Unsere Arbeit lebt von der Bandbreite unseres Netzwerks in der Zivilgesellschaft aber auch von der großen Vielfalt, der hohen fachlichen Expertise unter den Mitgliedern und in den Fachausschüssen. Hinzu kommt das gute Zusammenspiel von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in der DUK, das sich in den 70 Jahren bewährt hat.
Eine zentrale Rolle nimmt – auch mit Blick auf die Zukunft und die vor uns liegenden Aufgaben – die Stimme der Jugend ein. Es ist ein großer Gewinn, wie dynamisch sich die Teilhabe junger Menschen in der DUK-Familie entwickelt hat – von den UNESCO-Projektschulen, über die Studierenden an den UNESCO-Lehrstühlen, den Freiwilligen und inzwischen 4000 Alumni von kulturweit bis hin zu dem neuen Jungen Forum.
Drittens versteht sich die DUK als Impulsgeberin für die Zukunft. Von Anfang an hat die DUK ihre besondere Verfasstheit genutzt, um nachhaltige Impulse zu setzen – in Deutschland und der UNESCO selbst – immer im guten Zusammenspiel mit der Bundesregierung und den Ländern. Ob es die geradezu zukunftsweisende Einrichtung des UNESCO-Programms „Man and the Biosphere“ vor 51 Jahren war, das die DUK damals entscheidend vorangetrieben hat; der Bereich BNE, hier reicht das Engagement der DUK zurück bis ins Jahr 2005, oder aktuell die Befassung mit Wissenschaftsethik und Künstlicher Intelligenz, zu dem die UNESCO derzeit einen Völkerrechtstext erarbeitet: Immer wieder galt und gilt es, sich für neue Themen, für neue UNESCO-Programme zu öffnen und sie mit und in der Zivilgesellschaft zu gestalten.
Viertens die multilaterale Verankerung in der UNESCO und ihren Netzwerken ist für uns stets ein Mehrwert! Gerade in Krisenzeiten zeigt sich die Kraft von Bildung und Kultur über Grenzen hinweg. Dieser Geist spiegelt sich in unserem Projekt SOSAfrican-Heritage, mit dem wir afrikanische Welterbestätten und Biosphärenreservate in der Pandemie unterstützen. Denn die Solidarität mit afrikanischen Nationalkommissionen darf kein leeres Wort sein.
In der Überzeugung, dass Frieden nur mit der Zivilgesellschaft gelingt, haben wir in der UNESCO eine Initiative zur Stärkung der Nationalkommissionen und damit auch der Zivilgesellschaft gestartet – mit dem Ergebnis, dass die Rolle der Nationalkommissionen in der neuen Mittelfrist-Strategie der UNESCO deutlich gestärkt wird.
Schließlich fünftens, aus der Geschichte der DUK haben wir gelernt, dass wir uns immer wieder neu aufstellen müssen, um auf neue Herausforderungen antworten zu können. Diese Haltung zeichnet die DUK aus und ist der Schlüssel für ihr erfolgreiches Wirken.
IV. Kontinuität und Aufbruch als Motto der DUK-Arbeit
Kontinuität und Aufbruch – dieses Motto kennzeichnet die Arbeit der DUK von ihrer Gründung bis heute. Eine solche Aufbruchsstimmung zog sich auch durch die letzten Jahre. So haben wir uns, salopp gesprochen, ein Fitnessprogramm verordnet und dabei viel Unterstützung durch den Deutschen Bundestag und das Auswärtige Amt erfahren. Das Ergebnis: deutlich verbesserte Rahmebedingungen, ein neues Gebäude, mehr Personal und mehr Sachmittel, eine umfassende Strukturreform plus Organisationsentwicklung und eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie für die DUK. Damit sollten wir fit für die Zukunft sein!
Doch die Pandemie hat unsere Arbeit, unser gesamtes Leben und die Welt dramatisch verändert. Von heute auf morgen mussten wir uns umstellen. Und das ist gelungen! kulturweit hat es auf den Punkt gebracht: Wir haben uns neu aufgestellt. Dafür allen große Anerkennung und herzlichen Dank!
Dieser tiefe Einschnitt schärft das Bewusstsein dafür, dass Zukunft so wie wir sie erwartet und geplant haben, nicht selbstverständlich ist. Die Pandemie führt uns unsere Verwundbarkeit vor Augen. Aber in dem Innehalten liegt auch eine Chance, die es zu nutzen gilt.
Die durch die Pandemie ausgelöste Krise hat wie ein Brennglas verdeutlicht, dass wir nur durch globales Handeln die UNESCO-Ideale einer friedlichen, nachhaltigen Weltgemeinschaft erreichen können. Solidarität ist das Gebot der Stunde.
Selten waren die Herausforderungen größer und das Tempo der Veränderungen so rasant. Die Klimakatastrophen mit Flutwellen auf der einen Seite, Hitze, Dürre, Waldbrände auf der anderen Seite und der alarmierende Bericht des Weltklimarates zeigen, dass der Planet Erde längst an seine Grenze gestoßen ist. Nachhaltigkeit ist die Zukunftsfrage und essentiell für den Frieden weltweit. Wir müssen umsteuern zu einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung. Die Agenda 2030 weist auch für die UNESCO-Arbeit den Weg. Bildung ist der Schlüssel zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele. Die UNESCO-Weltkonferenz zu nachhaltiger Bildung gibt dafür den dringend notwendigen Rückenwind. Klar ist: Das gelingt nur gemeinsam. Wir werden als DUK unseren Beitrag dazu leisten.
Wir sind darüber hinaus mit einer Vielzahl von Fragen konfrontiert: Wie wird Chancengerechtigkeit im digitalen Zeitalter aussehen? Wie machen wir unser Erbe zukunftsfest angesichts von Klimakatastrophen? Wie vermitteln wir Wissen, wenn zunehmend gezielt Falschmeldungen verbreitet werden?
In den zurückliegenden sieben Jahrzehnten hat die DUK stets unter Beweis gestellt, wie flexibel und kreativ sie auf veränderte Bedingungen reagieren kann. Dafür möchte ich allen sehr herzlich danken, die daran mitgewirkt haben!
Kontinuität und Aufbruch, dieses Motto verbindet sich für die Zukunft mit drei Leitprinzipien für unser Handeln: nachhaltig, ganzheitlich und multilateral. Weder in der Politikberatung noch in unserer Netzwerkarbeit können wir es uns leisten, rein sektoral oder national zu denken. Wir müssen die Dinge zusammendenken – auch das ist nicht selbstverständlich! In diesem erneuten Aufbruch liegt die Chance für ein besseres „new normal“.
70 Jahre DUK geben uns die Kraft, gemeinsam die Friedensidee der UNESCO immer wieder neu mit Leben zu erfüllen. Das stimmt mich zuversichtlich!
Musik als universelle Sprache der Menschen
Lassen Sie uns das Jubiläum der DUK heute im Zeichen der Musik feiern! Denn Musik ist durch ihre verbindende Kraft über alle Grenzen hinweg ein UNESCO-Thema per se. Als universelle Sprache überwindet sie Grenzen, stiftet Gemeinschaft und berührt unsere Gefühle und Stimmungen. Musik ist ein Herzstück des kulturellen Erbes der Menschheit. Sie ist wichtiger Träger kultureller Vielfalt. Viele Stilrichtungen sind als Immaterielles Kulturerbe geschützt wie der Reggae und die Orgelmusik. Hier in Bonn, in seinem Geburtshaus ist ein Teil der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven verwahrt, die zum UNESCO-Weltdokumentenerbe „Memory of the World“ gehört. Und ganz in der Nähe, in Köln, haben wir mit dem Dom eine Welterbestätte, die ein einzigartiger Klangraum für Musik ist. Nicht zuletzt haben wir im April das zehnte Jubiläum des internationalen Tags des Jazz der UNESCO gefeiert.
„In Times of Crisis we need Culture“ – diese Aussage prägte die UNESCO im Frühjahr 2020. Denn mit Beginn der Pandemie zeigte sich in aller Deutlichkeit, wie essentiell Kultur und Kunst für uns persönlich und den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind, zugleich aber auch wie verletzlich die Kulturszene ist.
Wenn Begegnungen nur unter strengen Auflagen möglich sind, Konzertbühnen und Theater, Clubs und Kinos über Wochen, ja Monate schließen müssen, dann kann es der Musik gelingen, die Vereinzelung und den kulturellen „shutdown“ zu überwinden. Wir konnten völlig neue, kreative Musikformate erleben, ob über die klassischen Medien oder im digitalen Raum.
Über die ResiliArt-Debatten der UNESCO hinaus wollen wir ein Zeichen setzen. Denn Musikerinnen und Musiker sind von den Auswirkungen der Pandemie nach wie vor besonders stark betroffen. Hier sind wir als Gesellschaft zu Unterstützung und Solidarität aufgerufen. Ich freue mich, dass wir heute ein wenig dazu beitragen können.
All dies hat uns zu unserem musikalischen Sommerfest inspiriert. Ich danke Prof. Dahmen von der Popakademie Mannheim, Prof. Pinto und seinem UNESCO-Chair for Transcultural Music in Weimar und Markus Stockhausen, der ganz in der Nähe, von Köln aus, bei der Konzeption des Programms mitgewirkt hat. Ebenso danke ich unserem Team in der DUK für die Gestaltung dieses Events.
Gemeinsam ist es uns gelungen, hochkarätige Musikerinnen und Musiker zu gewinnen, die uns in großer Vielfalt ihre Kunst zu Gehör bringen und auch darüber sprechen werden. So bin ich sehr gespannt darauf, zu erfahren, was die eingeladenen Musikerinnen und Musiker auf ihrem künstlerischen Weg beeinflusst hat, wie sie zu ihrer Musik, ihrem Genre kamen und inwiefern Einflüsse anderer Kulturen ganz konkret eine Bereicherung für ihr Schaffen darstellen.
Die Künstlerinnen und Künstler, die wir gleich in Konzert und im Gespräch erleben werden, wird uns Shelly Kupferberg vorstellen. Ich freue mich sehr, liebe Frau Kupferberg, dass Sie uns heute durch das Programm führen.
Allen unseren Gästen in der Bundeskunsthalle und den digital zugeschalteten Gästen wünsche ich eine wunderschöne Jubiläumsfeier der DUK auf den Flügeln der Musik.
Für unsere Gäste in der Bundeskunsthalle wollen wir das Sommerfest anschließend bei einem Glas Wein ausklingen lassen. Ich freue mich auf die Begegnung mit Ihnen!