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Bericht über die 41. Sitzung des Welterbekomitees in Krakau (Polen), 2.-12. Juli 2017

Die Mitglieder der deutschen Delegation bei der Welterbekomiteesitzung, Dr. Birgitta Ringbeck, Ministerialrätin beim Auswärtigen Amt, und Barbara Engels, Bundesamt für Naturschutz berichten über die Komiteesitzung.

Unter starken Sicherheitsvorkehrungen tagte das Welterbekomitee der UNESCO vom 2. - 12. Juli 2017 in Krakau (Polen).

Als 42. deutsche Welterbestätte wurden die Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura in die Welterbeliste eingetragen. Außerdem wurde die Stätten des Bauhauses in Weimar und Dessau um die von Hannes Meyer entworfenen Laubenganghäuser in Dessau-Törten und die Bundesschule des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) in Bernau bei Berlin erweitert. Nicht in die Welterbeliste eingeschrieben wurde der Naumburger Dom und die hochmittelalterliche Kulturlandschaft an Saale und Unstrut; das Welterbekomitee erkannte aber den außergewöhnlichen universellen Wert der Kathedrale in Naumburg im Grundsatz an. Die bereits bestehende Weltnaturerbestätte Buchenurwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands mit Teilgebieten in der Ukraine, Slowakei und Deutschland wurde um 63 Teilgebiete in 10 Ländern erweitert.

Einschreibung neuer Stätten in die Welterbeliste

39 Anträge auf Eintragung bzw. Erweiterung von Stätten waren in Vorbereitung der Sitzung evaluiert worden. Davon wurden sechs vor Aufruf des Tagungsordnungspunktes wegen negativen Votums von ICOMOS und/oder IUCN zurückgezogen, darunter auch der deutsche Erweiterungsantrag der Lutherstätten. Dem Komitee lagen damit noch 33 Nominierungen zur Entscheidung einschließlich transnationaler Erweiterungen vor.
Insgesamt wurden 21 Stätten neu aufgenommen. Die Zahl der Welterbestätten hat sich damit auf 1073 erhöht (206 Naturerbestätten, 832 Kulturerbestätten, 35 gemischte Stätten in 167 Vertragsstaaten). 5 Stätten wurden signifikant erweitert.

Für die Nominierung der „Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura“ erhielt Deutschland viel Lob und Anerkennung, weil die Stätte eine Lücke auf der Welterbeliste füllt. Aber auch zum Naumburger Dom gab es Zuspruch. Der Empfehlung von ICOMOS, den Naumburger Dom und die hochmittelalterliche Kulturlandschaft an Saale und Unstrut endgültig nicht in die Welterbeliste einzutragen, folgte das Welterbekomitee – wie bereits bei der ersten Beratung des Antrags 2015 in Bonn – nicht; es bestätigte den außergewöhnlichen Wert des Naumburger Doms im Grundsatz und entschied auf „to refer“, so dass der Antrag innerhalb von drei Jahren ohne erneute Evaluierung vor Ort wieder vorgelegt werden kann. Der entsprechende von Kroatien eingebrachte und von Portugal, Korea, Kuba, Peru, Simbabwe sowie Aserbaidschan mitgezeichnete Beschlussvorschlag wurde im Konsens beschlossen, nachdem fast alle Komiteemitglieder entsprechende Unterstützung mit zum Teil großen architektur- und kunsthistorischen Kenntnissen zum Ausdruck gebracht hatten. Dabei griffen viele ihre Argumente von 2015 wieder auf; auch ICOMOS hat in seinen Evaluierungen die kunst- und architekturhistorische Bedeutung des Doms nie angezweifelt.

Deutschland war an zwei Grenzerweiterungen beteiligt. Die bisherige Weltnaturerbestätte „Buchenurwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands“ mit bislang 5 Komponenten in der Ukraine, in der Slowakei und in Deutschland wurde um 63 Teilgebiete in 10 Ländern erweitert. Damit wurde die Empfehlung des Welterbekomitees bei der Erweiterung der Stätte um deutsche Komponenten im Jahr 2011 umgesetzt, mit weiteren Teilgebieten den Ausbreitungsprozess der Buche angemessen abzubilden. IUCN als offizielles Beratungsgremium hatte die Auswahl der Komponenten in Frage gestellt, die Pufferzonen einiger Gebiete kritisiert und deshalb für „deferral“ votiert. Vor Ort gelang es, das Komitee von einer Einschreibung zu überzeugen. Da insbesondere die Buchenwälder in Südosteuropa (Rumänien, Albanien) durch zunehmenden Nutzungsdruck gefährdet sind, ist der Beschluss des Komitees eine wichtige Entscheidung im Sinne des europäischen Naturschutzes. Eine zusätzliche Erweiterung ist nicht ausgeschlossen, z.B. um Buchenwälder in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Schweden oder der Schweiz.

Problemlos war die Entscheidung des Komitees zur Erweiterung der Stätten des Bauhauses in Weimar und Dessau um die von Hannes Meyer entworfenen Laubenganghäuser in Dessau-Törten und die Bundesschule des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) in Bernau. Auch die Erweiterung der Straßburger Altstadt um die unter deutscher Verwaltung in der Gründerzeit errichtete „Neustadt“ wurde einstimmig entschieden. Mehr Beispiele für einen so souveränen und symbolträchtigen Umgang mit der lange nicht einfachen Geschichte sind für die Entpolitisierung des Komitees notwendig. Nur so kann die Vision vom gemeinsamen Erbe der Menschheit Wirklichkeit werden.

Die Entscheidung zum Kloster Gelati, Georgien, ist eine Reduzierung der 1994 in die Welterbeliste eingetragenen Stätte „Bagrati-Kathedrale und Kloster Gelati“: 2010 erfolgte der Eintrag in die Gefahrenliste wegen umfangreicher Rekonstruktionsmaßnahmen an der Bagrati-Kathedrale. Nun wurde der Verlust der Authentizität für diesen Bestandteil der Welterbestätte bestätigt.

Statusberichte bestehender Welterbestätten

IUCN hob in der Zusammenfassung der aktuellen Bewertungen zum Erhaltungszustand hervor, dass der Klimawandel zu den größten Gefahren nicht nur für die Welterbestätten selbst, sondern auch für die dort ansässigen lokalen Gemeinschaften zählt. Vor dem Hintergrund der massiven Korallenbleiche der vergangenen zwei Jahre wurde zum Thema Klimawandel auf Initiative Finnlands ein deutlicher Bezug zum Pariser Klimaabkommen in die Entscheidung aufgenommen.

Die fortwährende Überwachung der gelisteten Welterbestätten ist eines der wichtigsten Instrumente der Welterbekonvention. 154 Berichte zum Erhaltungszustand von Welterbestätten wurden beraten, darunter auch die 56 Stätten, die in die „Rote Liste“ des Welterbes in Gefahr eingeschrieben sind. Bezeichnend ist die Gefährdungslage in Bezug auf die Kategorien: Naturerbestätten, die einen Anteil von 19 % an der Welterbeliste haben, dominieren mit fast 40 % sowie mit fast 30 % die Liste der Stätten, die einem reaktiven Monitoring unterliegen.

Kulturerbestätten

Insgesamt wurden 18 neue Kulturstätten in die Liste aufgenommen:

  • Mbanza Kongo, Relikte der Hauptstadt des ehemaligen Königreichs Kongo (Angola)
  • Archäologische Stätte Valongo-Kai (Brasilien)
  • Kulangsu: eine historische internationale Siedlung (China)
  • Kujataa auf Grönland: eine nordische und Inuit-Agrarlandschaft am Rand der Eisdecke (Dänemark)
  • Höhlen und Eiszeitkunst  der Schwäbischen Alb (Deutschland)
  • Asmara: Eine modernistische Stadt Afrikas (Eritrea)
  • Taputapuātea (Frankreich)
  • Historische Stadt von Ahmedabad (Indien)
  • Historische Stadt von Yazd (Iran)
  • Heilige Insel Okinoshima und zugehörige Stätten in der Region Munakata (Japan)
  • Tempelanlage von Sambor Prei Kuk, Archäologische Stätte des alten Ishanapura (Kambodscha)
  • Venezianisches Verteidigungssystem des 16. bis 17. Jahrhunderts: Stato da Terra – westlicher Stato da Mar (Italien, Kroatien, Montenegro)
  • Hebron / Al-Khalil Altstadt (Palästinensische Gebiete)
  • Blei-Silber-Zink-Mine von Tarnowskie Góry und ihr unterirdisches Wassermanagementsystem (Polen)
  • Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale und -kloster der Inselstadt Swijaschsk (Russische Föderation)
  • Kulturlandschaft der ǂKhomani (Südafrika)
  • Aphrodisias (Türkei)
  • Der englische Lake District (Vereinigtes Königreich).

Naturerbestätten

Folgende drei Stätten wurden neu in die Liste aufgenommen:

  • Qinghai Hoh Xil (China)
  • Daurische Landschaften (Mongolei, Russische Föderation)
  • Nationalpark Los Alerces (Argentinien)

Porträtserie Neue Welterbestätten 2017

Erweiterungen/Grenzänderungen

  • Nationalparkkomplex W - Arly - Pendjari (Benin, Burkina Faso)
  • Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas (Albanien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Italien, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien Ukraine)
  • Das Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau (Deutschland)
  • Strasbourg, Grande-Île und Neustadt (Frankreich)
  • Kloster Gelati (Georgien)

„Rote Liste“ des gefährdeten Welterbes

In der sogenannten „Roten Liste“ des gefährdeten Welterbes führt das Welterbekomitee solche Welterbestätten, die durch Kriege, Naturkatastrophen oder durch menschliche Eingriffe besonders bedroht sind. Wie im Vorjahr gab es nicht zu allen „Rote-Liste“-Stätten eine Aussprache, nachdem das Komitee 2011 beschlossen hatte, nur Stätten im Reinforced-Monitoring jährlich zu diskutieren, während die anderen jedes zweite Jahr zur Aussprache kommen.

Der Nationalpark Comoé in der Elfenbeinküste wurde nach 14 Jahren aus der „Roten Liste“ ausgetragen. Sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs hatte der Vertragsstaat nicht nur die definierten Korrekturmaßnahmen umgesetzt, sondern auch der Erhaltungszustand hat sich maßgeblich verbessert. Alle Indikatoren wurden erfüllt. Hervorzuheben sind die Zunahme der Elefanten- und Schimpansenpopulationen sowie die verbesserte Habitatintegrität. Ein dauerhafter Finanzierungs- und Managementmechanismus wurde eingerichtet. Die Umweltministerin dankte in ihrer Ansprache auch Deutschland für seine Unterstützung.

Auch der Simien Nationalpark in Äthiopien konnte nach erfolgreichen Schutzmaßnahmen aus der Liste des gefährdeten Welterbes ausgetragen werden. 1996 hatte das Welterbekomitee die Stätte aufgrund des Baus einer Durchgangsstraße, exzessiver Beweidung, intensiver landwirtschaftlicher Nutzung sowie einem Rückgang der insbesondere der Bestände des Walia Steinbocks und des Simien Fuchses in die Liste des gefährdeten Welterbe aufgenommen. Die vom Komitee geforderten Schutzmaßnahmen zeigen nun Wirkung, die Gefahren sind gebannt. Zu den Hausaufgaben der kommenden Jahre zählt eine noch ausstehende Erweiterung des Gebietes.

Neu in die Liste des Welterbes in Gefahr eingeschrieben wurden die 2001 in die Welterbeliste eingetragene Altstadt von Wien wegen eines geplanten Hochhausneubaus im 3. Wiener Bezirk. Seit 2002 hatte sich das Welterbekomitee regelmäßig mit nicht welterbeverträglichen Entwicklungen in der österreichischen Hauptstadt befasst; nun führten die Planungen für den Wiener Eislaufverein, das Hotel Intercontinental und das Wiener Konzerthaus zum Eintrag in die Liste des Welterbes in Gefahr.

Darüber hinaus wurden keine weiteren Stätten in die Welterbeliste in Gefahr aufgenommen, obwohl die Beschlussvorschläge für die Welterbestätten Cerrado Protected Areas: Chapada dos Veadeiros und Emas Nationalparke (Brasilien), Golf von Kalifornien (Mexiko) und Fort und Gärten von Shalimar (Pakistan) und Kathmandu (Nepal) dies vorsahen.

Auf der Liste des gefährdeten Welterbes stehen damit 54 Stätten in 32 Ländern (16 Naturstätten und 38 Kulturstätten). Darunter befinden sich 15 afrikanische Stätten, 22 in den arabischen Staaten, 6 im asiatisch-pazifischen Raum, 5 in Europa/Nordamerika sowie 7 in Lateinamerika und der Karibik.

Abgesehen von den Welterbestätten auf der „Roten Liste“ gab es noch insgesamt 104 Beschlussvorlagen zum Zustand eingeschriebener Welterbestätten.

Die Stätte Bialowieza Forest (Weißrussland/ Polen) steht nach der Erweiterung der Stätte 2014 vor großen Herausforderungen. Eine aktuelle Änderung des Forstwirtschaftsplans erlaubt Holzeinschlag auf 2/3 der Welterbefläche und stellt eine Gefahr für den OUV (Outstanding Universal Value) der Stätte dar. Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren wurde eingeleitet, weil diese Änderungen nicht im Einklang mit NATURA 2000 stehen. Ein Teil dieser Holzeinschlagsmaßnahmen sind die Reaktion auf den Ausbruch einer Borkenkäfer-Epidemie. Während der Sitzung bildete sich massiver Protest der polnischen und internationalen Zivilgesellschaft, die ihr Anliegen vor dem Konferenzgebäude deutlich machten, worauf die Forstlobby mit einer Gegendemonstration reagierte. Das Komitee entschied nach kurzer aber intensiver Debatte, den ursprünglichen Text beizubehalten.

Auch der Zustand des Nationalparks Doñana (Spanien) gibt weiterhin Anlass zu großer Besorgnis. Ob das Versprechen des Vertragsstaates, die geplante unterirdische Gaslagerung und die weitere Vertiefung des Guadalquivir aufzugeben, eingelöst wird, bleibt abzuwarten.

Publikation

Katastrophenschutz an Welterbestätten.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2017

Welterbe und Nachhaltige Entwicklung

Das Welterbezentrum berichtete über die Fortschritte bei der Umsetzung der Leitlinien für Welterbe und nachhaltige Entwicklung. Betont wurde, dass der Erhalt des außergewöhnlichen universellen Werts der Welterbestätten oberste Priorität habe, auch in Hinblick auf die Umsetzung und Verfolgung der Nachhaltigkeitsstrategie. Positiv hervorgehoben wurde der Aktionsplan zur Umsetzung der Leitlinien, der im Rahmen des von BfN/ BMUB finanzierten Workshops "Sustainable Development – From Policy to Action" an der Internationalen Naturschutzakademie Vilm entstanden ist, sowie das in 2017 auslaufende F&E-Vorhaben „Benefits of World Natural Heritage Sites“. Tansania brachte einen zusätzlichen Absatz in die Entscheidung zum Dank an Deutschland ein.

Sitzungen des Welterbekomitees
Pressekonferenz zur Eröffnung der 41. Sitzung des Welterbekomitees

Welterbe international

Sitzungen des Welterbekomitees

Das UNESCO-Welterbekomitee ist das wichtigste mit der Umsetzung der Welterbekonvention betraute Gremium. In seinen jährlichen Sitzungen entscheidet es unter anderem über Neueinschreibungen, Einschätzungen zum Erhaltungszustand und die Liste des Welterbes in Gefahr.
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Welterbe in Gefahr
Komponente der Welterbestätte Tal von Kathmandu nach dem Erdbeben 2015

Welterbe sein

Welterbe in Gefahr

Die Kernidee der UNESCO-Welterbekonvention von 1972 ist der Schutz und die Bewahrung von Kultur- und Naturerbe für aktuelle und zukünftige Generationen.
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