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Bericht über die 35. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Paris (Frankreich), 19.-29. Juni 2011

Dr. Birgitta Ringbeck ist Beauftragte der Kultusministerkonferenz für das UNESCO-Welterbe. Sie gehörte der deutschen Delegation bei der 35. Tagung des Welterbekomitees an und berichtet über die Beschlüsse der Tagung.

Die diesjährige Sitzung des Welterbekomitees ist für Deutschland außergewöhnlich erfolgreich verlaufen. Das Fagus-Werk in Alfeld, die Alten Buchenwälder Deutschlands und die Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen, darunter Stätten in Bayern und Baden-Württemberg, wurden in die Welterbeliste eingetragen. Das Weltnaturerbe Wattenmeer wurde um den Hamburger Nationalpark Wattenmeer erweitert. Überschattet wurde die Komiteesitzung durch die Ankündigung Thailands, aus der Welterbekonvention auszutreten.

Das Welterbekomitee hat insgesamt 25 Stätten neu in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt aufgenommen. Damit stehen auf der UNESCO-Liste nun weltweit 936 Stätten.

Erstmals sind Barbados und die Vereinigten Arabischen Emirate in der Welterbeliste verzeichnet. Von den 187 Vertragsstaaten des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt sind 153 Staaten in der Welterbeliste vertreten.

Die 35. Tagung des Welterbekomitees fand vom 19. bis 29. Juni 2011 am Sitz der UNESCO in Paris statt. Eröffnet wurde sie von der diesjährigen Präsidentin des Komitees, der Kulturministerin von Bahrain Shaikha Mai bint Muhammad Al Khalifa. Die Zukunft der Welterbekonvention, der 40. Jahrestag ihrer Verabschiedung im kommenden Jahr und die wachsenden Herausforderungen bei der Erhaltung des Kultur- und Naturerbes standen im Mittelpunkt der Ansprachen von UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova, des Vorsitzenden der Generalkonferenz Davidson L. Hepburn und der russischen Botschafterin Eleonora Valentinova Mitrofanova als Vorsitzende des Exekutivkomitees. Geleitet wurde die Sitzung von der Vizepräsidentin des Welterbekomitees, Alissandra Cummins, die Barbados als Botschafterin bei der UNESCO vertritt.

Alle 21 Mitglieder des Welterbekomitees waren anwesend, 80 Unterzeichnerstaaten waren mit Beobachtern vertreten. Auch Palästina, das nicht zu den Unterzeichnerstaaten zählt, hat einen Vertreter entsandt. Berater von ICCROM, ICOMOS und IUCN sowie weitere Beobachter von internationalen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen haben an der Komiteesitzung teilgenommen.

Erhaltungszustand der Welterbestätten

169 Berichte zum Erhaltungszustand von Welterbestätten wurden beraten, darunter 34 zu den in die "Liste des Welterbes in Gefahr" eingeschriebenen Stätten, deren außergewöhnlich universeller Wert gefährdet ist. Ursachen der Bedrohungen sind Kriege, Naturkatastrophen, Bergbau, Erdölförderung, Mineraliengewinnung, Dammbauten und andere mit der Energieversorgung zusammenhängende Megaprojekte, Umweltverschmutzung, urbaner Entwicklungsdruck, Infrastrukturprojekte und Massentourismus.

Dramatisch ist die Situation im zentralafrikanischen Nationalpark Manovo-Gounda St. Floris. Die Lebensgrundlage der Wildtiere ist durch Weidewirtschaft empfindlich gestört, es gibt keine Elefanten und Rhinozerosse mehr. Hoffnung besteht nur noch darin, dass sich neue Populationen durch Einwanderung aus nahegelegenen Wildschutzreservaten, in der nur die Dorfgemeinschaften begrenzt jagen dürfen, entwickeln.

Honduras selbst beantragte, das Biosphärenreservat Río Plátano in die Liste des Welterbes in Gefahr einzuschreiben. Das Naturerbe ist durch illegale Wilderei, illegale Beweidung und landwirtschaftliche Nutzung und durch den Bau von Wasserkraftanlagen bedroht.

Auch der Tropische Regenwald auf Sumatra in Indonesien, der seit seiner Einschreibung im Jahre 2004 wegen Wilderei, illegalem Holzeinschlag, landwirtschaftlicher Nutzung und illegalem Straßenbau in der Kritik stand, wurde in die Liste des bedrohten Welterbes eingetragen.

Nur eine Stätte konnte aus der Liste des Welterbes in Gefahr ausgetragen werden: das Wildschutzgebiet Manas in Indien.

Auf der Liste des gefährdeten Welterbes stehen jetzt insgesamt 34 Stätten (16 Naturstätten und 18 Kulturstätten) aus 27 Ländern. Darunter sind 14 afrikanische Stätten, fünf Stätten aus den arabischen Staaten, fünf aus dem asiatisch-pazifischen Raum, vier Stätten aus Europa/Nordamerika und sechs Stätten aus Lateinamerika und der Karibik.

Auch die Altstadt und Stadtmauern von Jerusalem bleiben auf der Liste des Welterbes in Gefahr. Der Beschluss zu Jerusalem wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Mounir Bouchenaki, dem algerischen Direktor von ICCROM, hinter den Kulissen erarbeitet und mit einfacher Mehrheit ohne Aussprache im Plenum angenommen, ohne dass ein Konsens erzielt worden war. Israel erklärte in seiner Stellungnahme, dass dieser Beschluss keine Bedeutung habe, was vom palästinensischen Beobachter scharf kommentiert wurde.

Abgesehen von den Stätten auf der Liste des Welterbes in Gefahr gab es noch insgesamt 135 Beschlussvorlagen zum Zustand der bis einschließlich 2010 eingeschriebenen Welterbestätten. Davon wurden etwa zwei Drittel ohne Aussprache, ein Drittel mit Aussprache im Plenum behandelt.

Publikation

Katastrophenschutz an Welterbestätten.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2017

Die einzige deutsche Stätte, zu der es eine Beschlussvorlage gab, war das Obere Mittelrheintal. Der Beschluss mit der Bitte um Vorlage des angekündigten Masterplans wurde ohne Aussprache angenommen.

Allein aus der Russischen Föderation standen fünf Naturerbestätten und vier Kulturerbestätten zur Debatte. Obwohl der Vorschlag auf dem Tisch lag, wurden die Urwälder von Komi, die durch ein Projekt zum Goldabbau und bereits laufende Bergbauaktivitäten gefährdet sind, nicht in die Liste des Welterbes in Gefahr eingetragen. Auch die Kulturlandschaft Mapungubwe in Südafrika blieb vom Eintrag in die Liste des gefährdeten Welterbes verschont. In unmittelbarer Nähe der Welterbestätte ist ein Bergwerk geplant. Es wird befürchtet, dass die Aktivitäten unter Tage negative Auswirkungen auf die bedeutenden archäologischen Zeugnisse haben. Eine umfassende Untersuchung soll nun Aufschluss über die tatsächliche Gefährdung geben.

Bei den historischen Städten Petra in Jordanien und Tyros im Libanon, den Festungen Portobello und San Lorenzo in Panama sowie dem historischen Viertel von Panamá und der archäologischen Stätte Panamá Viejo blieb es bei der bloßen Androhung, die Stätten in die Liste des Welterbes in Gefahr einzutragen, wenn nicht durchgreifende Maßnahmen zur Konservierung und Sicherung ergriffen werden.

Peru erreichte bei der Aussprache zur Inka-Bergfestung Machu Picchu sogar, dass die Drohung mit Eintrag in die Liste des Welterbes in Gefahr gestrichen wurde, obwohl die Stätte durch Straßenbauprojekte und Missmanagement stark gefährdet ist. Über gleich drei derartige Beschlüsse des Komitees durch Mehrheitsentscheidung konnte sich das Vereinigte Königreich freuen: Die Drohung mit Eintrag in die Liste des gefährdeten Welterbes wurde in den Entscheidungen zu den Stätten Tower of London, Westminster Abbey und Saint Margret's Church in London gestrichen. Wegen des urbanen Entwicklungsdrucks und einer fehlenden Pufferzone hatten ICOMOS und das Welterbezentrum für den Tower die Einschreibung in die Liste des Welterbes in Gefahr gefordert.

Im Fokus stand auch wieder die Serengeti, durch deren Norden eine Überlandstraße für Schwertransporte gebaut werden sollte. Bei der Vorstellung des Berichts durch IUCN wurde das Engagements Deutschlands lobend erwähnt, auf der Grundlage einer strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung die befürchteten negativen Auswirkungen abzuschätzen und nachhaltige Alternativen zu entwickeln. Der tansanische Vertreter teilte mit, dass vom Bau der Straße durch die Serengeti abgesehen werde und Alternativen außerhalb des Parks projektiert werden. Diese Entwicklung begrüßte auch die Vertreterin der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft, die als NGO Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt.

Die Türkei konnte den Eintrag der Istanbuler Welterbestätte in die Liste des Welterbes in Gefahr verhindern. Die türkischen Behörden hatten auf die Kritik des Welterbekomitees reagiert und signifikante Änderungen, insbesondere an der geplanten Metro-Brücke über das goldene Horn, vorgenommen.

Die Verhandlungen zur kambodschanischen, an der Grenze zu Thailand gelegenen Welterbestätte Preah Vihear eskalierten im Plenum. Der Tempel gehört nach einem internationalen Gerichtsurteil aus dem Jahr 1962 zu Kambodscha. Thailand erhebt aber Anspruch auf das Gelände in unmittelbarer Nähe. Die beiden Länder wollten sich ursprünglich gemeinsam für die Eintragung in die Welterbeliste bewerben und das Gelände gemeinsam touristisch erschließen, doch nach Protesten im eigenen Land zog Thailand sich zurück und Kambodscha verfolgte die Nominierung alleine. Seit der Aufnahme in die UNESCO-Liste 2008 ist es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen an dem aus dem 11. Jahrhundert stammenden Tempel gekommen; erst im April starben dabei 16 Menschen.

In dem Beschlussvorschlag wollte Thailand erreichen, dass der politisch so brisante Begriffe wie "Reparatur" und "Restaurierung" enthaltene Managementplan für den Tempel nicht beraten wird, Kambodscha hingegen wollte den Fortschritt bei Schutz und Erhaltung der Welterbestätte gewürdigt wissen. Nachdem Thailand die Vertagung des Tagungsordnungspunktes verlangt hatte, die Vorsitzende dem Ansinnen aber nicht stattgab, erklärte Natur- und Umweltminister Suwit Khunkitti als Leiter der thailändischen Delegation, dass die Welterbekonvention für sein Land keine Gültigkeit mehr habe; anschließend verließ er mit seiner Delegation den Raum.

Der Beschlussvorschlag, der an den guten Willen der Parteien appelliert und die Notwendigkeit unterstreicht, den Schutz und die Konservierung des Kulturgutes entsprechend der Richtlinien zu gewährleisten, wurde ohne die von Thailand und Kambodscha gewünschten Zusätze und auch ohne die sonst übliche Aufforderung zu einem Bericht bis zum 1. Februar des kommenden Jahres angenommen. Das Bemühen um eine Lösung der Probleme ist damit zumindest für den aktuellen Zeitraum unterbrochen, Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Thailand und Kambodscha einerseits und der UNESCO andererseits sind noch nicht absehbar. Ebenfalls unklar ist die Rechtswirksamkeit der vom Komiteemitglied Thailand nur mündlich vorgetragenen Austrittserklärung, da ein Austritt gemäß Artikel 35 der Konvention schriftlich einzureichen ist und erst nach zwölf Monaten rechtskräftig wird. Am Rande der Sitzung wurde bekannt, dass die Frage der Mitgliedschaft der neuen Regierung Thailands überlassen werden soll, die Anfang Juli gewählt wird.

25 Neueinschreibungen

Insgesamt 42 Nominierungen waren zur 35. Sitzung des Welterbekomitees eingereicht worden. Hinzu kamen zwei Erweiterungsanträge sowie ein Antrag, eine bestehende Naturerbestätte unter einem weiteren Naturerbekriterien in die Welterbeliste einzutragen. Behandelt wurden jedoch nur 37 Anträge, die anderen waren aufgrund negativer Voten der Beratungsorganisationen ICOMOS für das Kulturerbe und IUCN für das Naturerbe vor Aufruf der Tagesordnung von den Vertragsstaaten zurückgezogen worden.

Zwölf Nominierungen waren von ICOMOS und IUCN zur Einschreibung empfohlen worden. Wie im letzten Jahr, schloss sich das Komitee aber mehrfach den Empfehlungen der Beratungsorganisationen auf "Zurückweisung" bzw. "Wiedervorlage" nicht an. Insbesondere die afrikanischen, arabischen, süd- und lateinamerikanischen Komiteemitglieder zeigten Geschlossenheit, wenn es darum ging, Stätten in den weniger repräsentierten Regionen der Welt ohne Rücksicht auf fachliche Einwände und ohne Bestätigung des "außergewöhnlich universellen Wertes" in die Welterbeliste einzuschreiben. Es ist absehbar, dass viele der diesjährigen Einschreibungen aufgrund von Managementdefiziten bald wieder wegen ihres gefährdeten Erhaltungszustandes dem Komitee zur Beratung vorliegen werden.

Bei eigenen Einschreibungen nutzten einzelne Komiteemitglieder ihre Position und warben im Plenum für ihre Nominierungen. Australien, Estland, Schweden und die Schweiz standen auf fast verlorenem Posten bei dem Versuch, die Einhaltung der Kriterien für die Einschreibung durchzusetzen. Beeindruckend unterstützt wurden sie von Bahrain. Als die bahrainische Nominierung der "Perlenkultur" diskutiert wurde, beantragten die arabischen Länder in gewohnter Geschlossenheit die Änderung des Beschlussvorschlages von "to defer" in "to inscribe". Der Vertreter Bahrains erklärte hingegen, dass man unter Berücksichtigung der Richtlinien und aus Respekt vor den Hinweisen der Beratungsorganisation einen auf "to refer" (Wiedervorlage innerhalb von drei Jahren) lautenden Beschlussvorschlag bevorzuge. Man wolle das Nominierungsdossier entsprechend überarbeiten. Diese Erklärung Bahrains erhielt mindestens ebenso viel Beifall wie eine Einschreibung.

Von den 15 neu eingeschriebenen Kulturstätten waren nur acht Stätten von ICOMOS zur Einschreibung vorgeschlagen worden. In zum Teil sehr kontroversen Aussprachen wurden drei Stätten trotz des Votums "to defer" und sechs Stätten ungeachtet des Votums "to refer" in die Welterbeliste aufgenommen. Für die Stätten mit dem Votum "to defer" lag kein Entwurf zur Erklärung ihres "außergewöhnlich universellen Wertes" vor. Deshalb wurden sie ohne dieses inzwischen obligatorische Dokument eingeschrieben mit dem Beschluss, es im nächsten Jahr zu prüfen und anzunehmen.

Die archäologischen Stätten der Insel von Meroe, die Sudan als Kultur- und Naturerbe nominiert hatte, wurden von IUCN nicht zur Einschreibung empfohlen, jedoch als Kulturerbe anerkannt. Ebenfalls als "gemischte Stätten" waren das Schutzgebiet Wadi Rum in Jordanien, das Saloum-Delta in Senegal und der Nationalpark "Blue and John Crow Mountains" in Jamaika vorgeschlagen, aber von ICOMOS und IUCN nicht zur Einschreibung empfohlen worden. Nach langwierigen Debatten, in denen Estland, Schweden und die Schweiz die fachliche Position der Beratungsorganisationen unterstützten, wurde in den beiden ersten Fällen per Mehrheitsentscheidung die Einschreibung beschlossen. Der jamaikanische Antrag wurde hingegen zurückgewiesen.

Insgesamt haben die langwierigen Debatten um die Nominierungen – mit mehreren geheimen Abstimmungen – dazu geführt, dass der ursprünglich auf zweieinhalb Tage angesetzte Tagesordnungspunkt um zwei Abendsitzungen und eineinhalb weitere Sitzungstage ausgedehnt werden musste.

Deutsche Nominierungen

Der deutsche Antrag "Fagus-Werk" und die unter Schweizer Federführung eingereichte serielle Nominierung "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" waren mit der Empfehlung auf Einschreibung versehen und wurden ohne Aussprache im Komitee in Rekordzeit akzeptiert.

Das architektonische Werk von Le Corbusier, als serielle Nominierung unter Federführung Frankreichs vorgelegt, wurde hingegen nicht in die Welterbeliste eingetragen. Der Antrag, der auch die Einschreibung von zwei Häusern Le Corbusiers in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung umfasste, hatte dem Komitee bereits 2009 vorgelegen. Es hatte um Überarbeitung und Wiedervorlage innerhalb von drei Jahren gebeten. Doch auch das neue Konzept mit einem chronologischen Ansatz brachte nicht den gewünschten Erfolg, das Komitee wies den Antrag zurück.

Dem Antrag auf Erweiterung der slowakisch-ukrainischen "Buchenurwälder der Karpaten" um die "Alten Buchenwälder Deutschlands" stimmte das Komitee zu, obwohl IUCN für eine Zurückweisung votiert hatte. Es bestanden zwar keine Zweifel am außergewöhnlich universellen Wert dieses Naturerbes und auch das Management war ausdrücklich gelobt worden, allerdings wünschte man, dass schon zum Zeitpunkt der Einschreibung der deutschen Buchenwaldgebiete weitere potenzielle Kandidaten dieser europäischen Serie mit Zeitrahmen benannt werden. Diese Vorbehalte konnten letztlich ausgeräumt werden.

Das Welterbekomitee hat auch der Erweiterung der Naturerbestätte Wattenmeer (Deutschland, Niederlande) um den Hamburger Nationalpark Wattenmeer zugestimmt. Damit hat nun jedes Land in der Bundesrepublik Deutschland zumindest eine Welterbestätte vorzuweisen. Deutschland ist jetzt mit insgesamt 36 Stätten, darunter fünf grenzüberschreitende Stätten, in der UNESCO-Welterbeliste vertreten.

Auch stimmte das Komitee den vorgeschlagenen Pufferzonen für die Welterbestätten Wieskirche in Steingaden sowie Kloster und Altenmünster in Lorsch zu. Der Entwurf der Erklärung zum "außergewöhnlich universellen Wert" des Oberen Mittelrheintals wurde ebenfalls akzeptiert.

Weitere Beschlüsse

Das Welterbekomitee hat beschlossen, die Zahl möglicher Nominierungen für die Welterbeliste ab 2012 zu reduzieren. Es ist damit zu den Entscheidungen der Komiteesitzungen 2000 in Cairns und 2004 in Suzhou zurückgekehrt. Zum 1. Februar 2012 kann jeder Vertragsstaat nur dann zwei Nominierungen vorlegen, wenn eine der beiden Nominierungen eine Naturerbestätte oder eine Kulturlandschaft ist. Das heißt, dass die in der Evaluierung befindlichen Stätten "Kurfürstliche Sommerresidenz Schwetzingen" und "Markgräfliches Opernhaus Bayreuth" 2012 im Komitee beraten werden, ab 2013 aber nur eine Kulturerbestätte – 2013 der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel, 2014 die ehemalige Reichsabtei Schloss Corvey in Höxter.

Anlässlich des bevorstehenden 40. Jahrestages der Verabschiedung der Welterbekonvention am 16. November 2012 ist eine Beschlussvorlage zu einem Aktionsplan mit dem Titel "Strategic Action Plan and Vision for the Convention" verabschiedet worden, die auch konkrete Vorschläge zur Änderung der Geschäftsordnung der Gremien beinhaltet. So sollen die Sitzungen demnächst live im Internet übertragen werden können und Journalisten zugelassen sein. Die Vertragsstaaten werden gebeten, während ihrer Mitgliedschaft im Komitee keine Anträge einzubringen. Der Beschluss wird im November auf der Generalversammlung, in der nicht nur die Komiteemitglieder, sondern alle Vertragsstaaten der Welterbekonvention Rederecht haben, diskutiert werden.

Der Generalversammlung wird eine umfangreiche Änderung der Richtlinien zur Durchführung der Welterbekonvention vorgeschlagen. Die Änderungen betreffen unter anderem den Prozess der Einschreibung von Welterbestätten, Schutz und Management, die Evaluierung durch die Beratungsorganisationen, Grenzänderungen von Stätten, die Liste des Welterbes in Gefahr und die internationale Unterstützung bei der Erhaltung der Welterbestätten.

Anstehende Wahlen

Auf der Generalversammlung der Vertragsstaaten, die vom 7. bis 9. November im Rahmen der UNESCO-Generalkonferenz in Paris stattfindet, wird ein Teil der Komiteemitglieder neu gewählt. Mit Ablauf des Jahres 2011 scheiden Ägypten, Australien, Bahrain, Barbados, Brasilien, China, Jordanien, Nigeria und Tunesien aus dem Welterbekomitee aus. Für die neun frei werdenden Sitze kandidieren neben Deutschland 18 weitere Länder: Afghanistan, Algerien, Bosnien, Burkina Faso, Dänemark, Griechenland, Indien, Jamaika, Japan, Katar, Kolumbien, Malaysia, Malta, Mauretanien, Saudi Arabien, Senegal, Serbien und Sudan.

Bis 2013 gewählte Mitglieder des Welterbekomitees sind: Äthiopien, Estland, Frankreich, Irak, Kambodscha, Mali, Mexiko, die Russische Föderation, Schweiz, Südafrika, Thailand und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Regionale Welterbezentren

Das Komitee diskutierte die Einrichtung weiterer so genannter "Kategorie-2-Zentren" unter der Schirmherrschaft der UNESCO. Bisher gibt es sechs solcher Zentren: das Arabische Regionalzentrum für das Welterbe in Bahrain, das Regionalzentrum für "Heritage Management Training" in Rio de Janeiro, Brasilen, das "Welterbeinstitut für Training und Forschung" für die Region Asien und Pazifik mit drei Standorten in Peking, Shanghai und Suzhou, China, das Regionale Welterbeinstitut in Zacatecas, Mexiko, die Nordic World Heritage Foundation in Oslo, Norwegen, und den African World Heritage Fund in Johannesburg, Südafrika.

Spanien schlug ein Zentrum für "World Heritage and Rock Art", Barbados ein Zentrum "World Heritage in Small Island Developing States" und Indien ein Zentrum "Higher Education and Research on Cultural and Natural Heritage" vor. Die fast schon inflationäre Einrichtung von regionalen bzw. nationalen Welterbezentren ist mit Aufmerksamkeit zu verfolgen.

Die Kategorie-2-Zentren erfahren mit eigener Tagesordnung auf jeder Komiteesitzung und Berichten zu ihren Aktivitäten inzwischen weltweite Beachtung. Die UNESCO-Lehrstühle und Studiengänge an regulären Hochschulen, wie beispielsweise der Masterstudiengang "World Heritage Studies" an der BTU Cottbus, könnten ins Hintertreffen geraten und letztlich damit auch Deutschland mit seinen in diesem Bereich über lange Zeit führenden und einzigartigen Instituten.

Periodische Berichterstattung Europa und Nordamerika

Die Webpage für die periodische Berichterstattung ist aktualisiert worden, alle relevanten Informationen sind dort eingestellt. Bis zum 1. Februar 2012 vorzulegen sind die Entwürfe für die retrospektive Erklärung zum "außergewöhnlich universellen Wert" für die Stätten, die zwischen 1978 und 2006 in die Welterbeliste eingeschrieben wurden und bislang ein solches Statement noch nicht angefertigt haben.

Die periodische Berichterstattung startet für Nordamerika, Westeuropa, die nordischen und baltischen Länder 2012 und endet mit der Vorlage im Komitee 2013. Die Berichterstattung für die ost-, zentral- und südeuropäischen und die mediterranen Länder startet 2013 und endet mit der Vorlage im Komitee 2014. Ein zusammenfassender Gesamtbericht soll dem Komitee dann 2015 vorgelegt werden.

36. Sitzung des Welterbekomitees und weitere Veranstaltungen

Die 36. Sitzung des Welterbekomitees findet vom 25. Juni bis 5. Juli 2012 in St. Petersburg statt. Zur Präsidentin des Komitees wurde die Botschafterin der Russischen Föderation, Eleonora Valentinova Mitrofanova, gewählt. Vizepräsidenten kommen aus Australien, Frankreich, Mexiko und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die zentrale Feier zum 40. Jahrestag der Welterbekonvention am 16. November 2012 wird von Japan ausgerichtet. Polen lädt im Frühjahr 2012 zu einem Expertentreffen zu "Immateriellen Werten und Kriterium VI" ein. Bahrain richtet eine Tagung "Welterbe und Früh- und Vorgeschichte" aus.

Zukunft der Welterbekonvention

Die Politisierung der Welterbe-Gremien hat weiter zugenommen. Dies zeigen die Debatte zu Jerusalem wie auch der während der Komiteesitzung angekündigte Austritts Thailands. Auch die Tatsache, dass die beratenden Organisationen ICOMOS und IUCN in ihrem Votum in 12 von 25 Fällen durch eine geschlossene Phalanx von Vertragsstaaten übergangen wurden, spricht eine deutliche Sprache.

Die Konvention, die sich mit Riesenschritten der Zahl von 1.000 Welterbestätten nähert, ist immer stärker in Gefahr, Opfer des eigenen Erfolges zu werden. Die zunehmende Zahl der Eintragungen in die Welterbeliste ohne ausreichende Erfüllung der Voraussetzungen wurde auf der 35. Tagung des Welterbekomitees besonders augenfällig und von einigen Vertragsstaaten kritisch, teilweise mit blankem Entsetzen registriert. Die Vielzahl der Vorschläge zur Änderung der "Operational Guidelines" (Durchführungsrichtlinien), die im November bei der Generalversammlung diskutiert werden, enthalten Zündstoff für die Zukunft und zeigen diese Kritikpunkte bereits deutlich auf.

Es bleibt zu wünschen, dass die mit großem Engagement vom Auswärtigen Amt betriebene Bewerbung Deutschlands um einen Sitz im Welterbekomitee Erfolg haben wird. Deutschland kann durch einen Sitz im Komitee die Interessen seiner eigenen Welterbestätten, aber auch die vieler anderer Nationen, noch wirkungsvoller vertreten und die über die Jahre erworbene Expertise insbesondere in Verfahrensfragen im Welterbekomitee einbringen. Die innerdeutsche Zusammenarbeit von Ressorts und Experten bei der 35. Tagung des Welterbekomitees war jedenfalls effektiv und ausgezeichnet.

Die deutsche Delegation wurde geleitet von Botschafterin Martina Nibbeling-Wrießnig, Ständige Vertreterin Deutschlands bei der UNESCO. Der Delegation gehörten außerdem an: Burghard Brinksmeier, Auswärtiges Amt, Jürgen Scheller und Wolfgang Lahr von der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der UNESCO, Dr. Birgitta Ringbeck, Beauftragte der Kultusministerkonferenz für das UNESCO-Welterbe, Nicola Breier und Heike Britz vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Barbara Engels und Dr. Hans D. Knapp vom Bundesamt für Naturschutz, Staatssekretär Walter Schumacher, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Stefan Winghart, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Friedemann Gschwind, Leiter des Amtes für Stadtplanung Stuttgart, Olaf Dieckmann, Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Tilo Geisel, Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Manfred Bauer, Leiter des Nationalparks Kellerwald-Edersee, und Manfred Großmann, Leiter des Nationalparks Hainich.

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