Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe
Regionale Vielfalt der Mundarttheater in Deutschland
Mundarttheater und mundartliches Volkstheater werden von mehreren tausend Amateurbühnen in Deutschland praktiziert, von denen viele verbandlich organisiert sind. Dazu gehören auch Kinder- und Jugendtheaterabteilungen. Die Bandbreite des Volkstheaters reicht von Passionsspielen über idealisierende, volkstümliche Schwänke, Possen und bäuerlich-ländliche Heimatstücke bis hin zu kritischen Auseinandersetzungen mit Historie und Alltag der Menschen.
Generell überwiegt das Genre der Komödie. Als Stoff dienen dabei Mythen, Sagen und Legenden sowie Vorstellungen, wie das Leben einmal gewesen sein könnte. Zu Aufführungen kommt es in Saalbühnen, Wirtshäusern, historischen Theaterräumen und auf Freilichtbühnen.
Qualitäten des Mundarttheaters stärken die Breitenkultur im ländlichen Raum. Es steht im Dialog mit örtlicher Bevölkerung, lokaler Geschichte und Gegenwart. Mundartliches Volkstheater ist der regionalen Identität, der Pflege des Brauchtums und des Dialekts verpflichtet. Trotz regionaler und lokaler Unterschiede sind Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Genese der Stoffe, der Themenfindung, der Darsteller oder stilistischer Ausformung der Inhalte festzustellen.
Mundarttheater übernimmt eine gesellschaftlich-gesellige Entlastungsfunktion. Seine kulturelle und gesellschaftliche Besonderheit entwickelt es im Dreiklang von Mundart, Theaterspiel und Ehrenamt: Ehrenamt als bürgerschaftliches Engagement, Mundart als mündlich tradierte Nahsprache und Theater als unmittelbare künstlerische Ausdrucksform evozieren bei Mitwirkenden und Publikum Gefühle von Identität und Heimat.
"Dahinter stehen die vielen Mundartheatervereine mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement. Ihnen gilt diese besondere gesellschaftliche Anerkennung. Die Auszeichnung ist eine Wertschätzung unseres gemeinsamen vielfältigen Engagements, die jetzt auch selbstbewusst nach außen getragen muss."
BDAT-Präsident Simon Isser
Das Mundarttheater hat sich als Alternative zur Hochkultur entwickelt und ist seit dem 19. Jahrhundert Spiegelbild der bürgerlichen Gesellschaft. Die kulturelle Praxis wird in Mundarttheatervereinen von Generation zu Generation weitergegeben, z.B. bei den Ritterschauspielen Kiefersfelden seit 1750.
Das Theaterspiel in der „eigenen“ Mundart ermöglicht dem Spieler einen individuellen authentischen Ausdruck. Es entfaltet im lebendigen Ausdruck eine integrative Kraft. Dazu gehört längst auch „Kiezdeutsch“, das zur Mundart der Migration geworden ist. In der Einwanderungsgesellschaft bildet das Mundarttheater eine integrative Möglichkeit als Form der Teilhabe, für den Erwerb der Sprache, für den Dialog der Kulturen.