Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe
Bürgersöhne-Aufzug zu Lingen „Die Kivelinge“ von 1372
Alle drei Jahre finden in Lingen ein historisches Marktgeschehen und ein großer Festumzug zu Ehren der Bürgersöhne statt. Hunderte von Ehrenamtlichen bereiten das dreitägige Fest auf historischer Grundlage von 1372 vor. Diese weit zurückreichende Tradition zeigt sich als äußerst wandlungsfähig und inklusiv. Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund wie auch mit eingeschränkter Mobilität werden zur Beteiligung eingeladen.
Fakten
- Aufnahmejahr: 2018
- Verbreitung: Lingen (Ems)
- Zentraler Termin: alle drei Jahre an Pfingsten
- Bereiche: Gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste; mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksweisen; darstellende Künste
Kontakt
Monika Schwegmann
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Im Jahr 1372, so geht es aus der Überlieferung hervor, belagerten Angreifer die Stadt Lingen. Die erwachsenen Männer konnten dem Angriff nicht standhalten und erst durch das Aufbieten der jungen, unverheirateten Männer der Stadt konnten die Angreifer vertrieben werden. Zur Belohnung versprach der Stadtrat den jungen Männern auf ewige Zeiten eine Tonne Bier zu einem jährlichen Erinnerungsfest. Die Bürgersöhne nannten sich die „Kivelinge“, was so viel wie „kleine Streiter“ bedeutet, und feiern seitdem regelmäßig ein Fest. Die dem Gemeinsinn verpflichteten Kivelinge sind heute das Markenzeichen von Lingen – heute nennt sich die Stadt an der Ems „Lingen – Stadt der Kivelinge“.
Der Aufzug wird im Dreijahres-Rhythmus zelebriert und das Ereignis ist zu einem identitätsstiftenden Volksfest für die gesamte Bevölkerung von Stadt und Umland geworden. Heute kann jeder männliche Bürger von Lingen, der über 16 Jahre alt und nicht verheiratet ist den Kivelingen beitreten. Durch die Hochzeit erlischt die Mitgliedschaft. Den Auftakt der Feierlichkeiten bildet die Übergabe eines Geschenks der Kivelinge an die Bürgerschaft, das aus dem Ertrag des vorherigen Kivelingsfestes finanziert wird. Diese Geste kennzeichnet den gemeinnützigen Charakter des Bürgersöhne-Aufzuges, dessen Festgeschehen und Erlös der gesamten Bürgerschaft zu Gute kommen sollen.
Während der Vorbereitungen des Festes entstehen immer neue Ideen zur Weiterentwicklung des Bürgersöhne-Aufzuges. Sie sorgen dafür, dass die Feste mit ihren überlieferten Abläufen nicht erstarren, sondern als lebendige Tradition im Wandel aktuell bleibt. Insbesondere der Kivelings-Spielplatz am Rande der Innenstadt – eines der Geschenke an die Bürgerschaft – sowie die Stadtführung der Kivelinge für Kinder ermöglichen, dass auch die Jüngsten der Stadt für gesellige und gemeinnützige Traditionen begeistert werden.
Aktuelle Anliegen der Kivelinge beziehen sich vor allem auf das Thema Inklusion. Neben Partnerschaften mit Einrichtungen für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigung, sorgte ein neues Sicherheitskonzept zum Fest von 2017 nicht nur für die allgemeine Sicherheit der Gäste und Besucher, sondern erleichterte auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine weitgehend barrierefreie Teilnahme am Festgeschehen.
Viele soziale und kulturelle Initiativen in Lingen sind aus den Reihen der Kivelinge und ihrem Umfeld hervorgegangen, die die Besonderheit dieser ehrenamtlich getragenen Tradition markieren. Die Kivelinge und hunderte Freiwillige bereiten auf historischer Grundlage in mehrjähriger Vorarbeit ein Fest vor, an dem alle Bewohner und Gäste der Stadt teilnehmen können. Der Tradition der Kivelinge gelang es bereits vor Jahrhunderten mit ihrem Bürgersöhne-Aufzug eine Gemeinschaft in der Stadt zu bilden, die Mitgliedern aller Konfessionen gleichberechtigt offen stand. Sie trugen entscheidend dazu bei, konfessionelle Spannungen zu überwinden und ein Miteinander zu pflegen, an dem alle Menschen, unabhängig von ihren jeweiligen Hintergründen teilnehmen konnten und bis heute können.