Umsetzung der UN-Bildungsziele 2030 in Deutschland

Resolution der 75. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Regensburg, 18. September 2015

Resolutionen der Deutschen UNESCO-Kommission

Über die Verabschiedung von Resolutionen der Deutschen UNESCO-Kommission beschließt die Hauptversammlung auf ihrer jährlichen Tagung.

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Die Vereinten Nationen werden in Kürze Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) für die gesamte Staatengemeinschaft verabschieden, zu denen die Deutsche UNESCO-Kommission bereits umfassend Stellung genommen hat ("Memorandum zur Post-2015-Entwicklungsagenda", 2014). Integraler Bestandteil der SDGs ist eine globale Bildungsagenda für die Jahre 2016 bis 2030, für die die UNESCO im UN-System die Führung übernehmen soll. Auch die deutsche Bildungspolitik ist Adressat dieser neuen globalen Agenda. Es sind also auch in Deutschland Modalitäten der Umsetzung und des Monitoring dieser für alle UN-Mitgliedstaaten verbindlichen globalen Agenda zu entwickeln.

1. Die Deutsche UNESCO-Kommission begrüßt die geplante Verabschiedung einer universellen Bildungsagenda im Rahmen der "Sustainable Development Goals" auf der Basis des finalen Entwurfs vom 01.08.2015 (1) und die geplante Verabschiedung des "Framework for Action" für die Umsetzung.

2. Sie begrüßt, dass die UNESCO gemäß der Abschlusserklärung des Weltbildungsforums im Mai 2015 ("Incheon-Erklärung") Führung, Koordinierung und Monitoring der Bildungsagenda übernehmen soll.

3. Sie begrüßt die Schwerpunkte der künftigen Bildungsagenda im Rahmen der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung: Bildungsqualität, Gerechtigkeit, Inklusion und Möglichkeit zu lebenslangem Lernen.

4. Sie begrüßt den in der Bildungsagenda angelegten Perspektivwechsel: Diese gilt für Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer gleichermaßen. Deutschland ist in der Gestaltung seines Bildungswesens zukünftig ausdrücklich auch Adressat einer globalen UN-Bildungsagenda und nicht nur Geberland für die Umsetzung entwicklungspolitischer Bildungsziele in anderen Weltregionen.

5. Sie begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung in ihrem Bericht vom 3.12.2014, "entsprechend ihrer Vorreiterrolle und als Impulsgeber auf Formulierung und Umsetzung ambitionierter nationaler bzw. EU-weiter Ziele hin(zu)arbeiten" (2), und sieht darin ein deutliches Bekenntnis, einen substanziellen Beitrag zur Erreichung auch der globalen Bildungsziele zu leisten.

6. Sie fordert die Bundesregierung, die Kultusministerkonferenz sowie die weiteren Fachministerkonferenzen der Länder auf, in Konsultation mit allen maßgeblichen Bildungsakteuren ambitionierte innerstaatliche Zielwerte zur Umsetzung der globalen Bildungsagenda zu setzen und das nationale Monitoring zu gewährleisten.

7. Die Deutsche UNESCO-Kommission weist darauf hin, dass bei der Umsetzung der globalen Bildungsagenda ein umfassendes Verständnis von Bildung zugrunde zu legen ist. Querverbindungen des Bildungsbereichs zu anderen Bereichen müssen berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Verzahnung von Bildungs-, Familien- und Integrationspolitik sowie für die Verbindung zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem, wie sie vor allem in der beruflichen Bildung deutlich wird. In allen Bereichen gilt es, die Situation von Flüchtlingen zu berücksichtigen.

8. Sie weist auf folgende Herausforderungen der deutschen Bildungspolitik hin, die Schwerpunkte in der Umsetzung der Bildungsagenda werden sollten:

a. Ungleichheiten abbauen, insbesondere aufgrund sozio-ökonomischer Herkunft, Migrationshintergrund, Geschlechtszugehörigkeit oder Behinderung, dabei unter anderem

  • Barrieren für einen frühen Zugang zu guten frühkindlichen Bildungsangeboten  beseitigen und hier einen besonderen Fokus auf Kinder aus sozio-ökonomisch benachteiligten Familien legen;
  • die Quote der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss auf deutlich unter 5 % senken;
  • Jugendliche mit geringen Chancen auf dem Ausbildungsmarkt beim Übergang von der Schule in die Ausbildung unterstützen und ihnen somit berufliche Qualifizierung wie auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen;
  • von den derzeit 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten mindestens 5 Millionen durch Lernmöglichkeiten mit niedrigschwelligem  Zugang und integrierten Ansätzen sowie effektiven Beratungsangeboten auf eine Kompetenzstufe bringen, die dem Grundbildungsniveau in Deutschland entspricht;
  • Verfahren zur Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen ausbauen;

b. Inklusive Bildung in formaler und non-formaler Bildung verwirklichen (3);

c. Bildung für nachhaltige Entwicklung durchgängig verankern in der formalen und non-formalen Bildung, in den curricularen Inhalten, Lernumgebungen und Lernformen, durch die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, durch die Kooperation von schulischen und außerschulischen Bildungsträgern und durch die Ausgestaltung an Nachhaltigkeit ausgerichteter Lernorte sowie ganzheitlicher und partizipativer Methoden;

d. Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung für alle sicherstellen, darunter:

  • gute, verlässliche strukturelle Rahmenbedingungen für das gesamte System der Kindertagesbetreuung sicherstellen;
  • gute, verlässliche strukturelle Rahmenbedingungen für das gesamte System der schulischen Bildung sicherstellen; 
  • das System der dualen Berufsausbildung gemeinsam mit Betrieben und Sozialpartnern stärken, seine Rolle zur Deckung des Fachkräftebedarfs der Wirtschaft ausbauen und neue Zielgruppen gewinnen; 
  • die Attraktivität der beruflichen Bildung steigern, die wechselseitige Durchlässigkeit zwischen hochschulischer und beruflicher Bildung fördern sowie berufliche Qualifizierungswege erschließen, die gleichwertig zur akademischen Bildung sind;
  • die Ausbildung, berufsbegleitende Weiterbildung und Beratung von Bildungspersonal verbessern, insbesondere von Lehrkräften, von Ausbilderinnen und Ausbildern sowie von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen;
  • Städte und Gemeinden als entscheidende Gestalter einer förderlichen Umgebung für lebenslanges Lernen verstehen, unterstützen und in Anspruch nehmen;
  • die Chancen neuer Medien zur Verbesserung der Bildungsqualität nutzen, u.a. durch Förderung von Open Educational Resources.

9. Die DUK fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die UN-Bildungsagenda bei der Fortschreibung der Bildungsziele der Europäischen Union nach 2020 (4) verbindlich einbezogen wird.

10. Sie weist darauf hin, dass sich auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sowie die internationale Bildungs- bzw. Berufsbildungszusammenarbeit an der UN-Bildungsagenda ausrichten und ihre Partnerländer verstärkt dabei unterstützen müssen, die notwendigen Kapazitäten aufzubauen, um qualitativ hochwertige Bildung für alle bereitzustellen.

11. Sie fordert alle Bildungsakteure in Deutschland auf, im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten an der Verwirklichung des Menschenrechts auf qualitativ hochwertige Bildung für alle mitzuwirken und dabei die Verwirklichung dieses Rechts auch für Flüchtlinge zu sichern.

12. Sie bittet die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesländer bzw. deren für Bildung zuständigen Einrichtungen, Möglichkeiten zu prüfen, die UNESCO bei der eminent wichtigen Aufgabe der Führung, Koordinierung und des Monitoring der UN-Bildungsagenda durch freiwillige Beiträge und/oder Personalabordnungen zu unterstützen, und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen durchzuführen.

 

(1) "Transforming our World: The 2030 Agenda for Sustainable Development. Finalised text for adoption", 01.08.2015.
(2) Bericht der Bundesregierung vom 3.12.2014, "Eine Agenda für den Wandel zu nachhaltiger Entwicklung weltweit. Die deutsche Position für die Verhandlungen über die Post 2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung".
(3) Deutsche UNESCO-Kommission (20.3.2014), Bonner Erklärung zur Inklusiven Bildung in Deutschland.
(4) Die derzeitigen Bildungsziele der EU sind bis 2020 festgelegt in der "Strategie Europa 2020".